Wann besteht zwischen Gesellschaften eine umsatzsteuerliche Organschaft? Der BFH hat eine Organschaft bei einem Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG angenommen. Im Streitfall wurde die Leitung einer Gesellschaft einem anderen Unternehmen weitgehend unterstellt. Damit lag nach dem BFH - anders als bei einer bloßen Stellung als Mehrheitsgesellschafter - eine organisatorische Eingliederung vor.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Kriterien für eine organisatorische Eingliederung und damit ein umsatzsteuerrechtliches Organschaftsverhältnis erfüllt sein müssen.
Im Streitfall war die A-GmbH, die als Holding fungierte, unter anderem die Alleingesellschafterin der B-GmbH. Zwischen beiden GmbHs wurde ein Ergebnisabführungs- und Beherrschungsvertrag geschlossen, aufgrund dessen die A-GmbH befugt war, der B-GmbH Weisungen zu geben, denen die B-GmbH zu folgen verpflichtet war. Die Geschäftsführer der beiden Gesellschaften waren nicht identisch.
Das Finanzamt ging im Rahmen einer Außenprüfung bei beiden GmbHs von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus und verlangte Umsatzsteuernachforderungen gegen die B-GmbH von der A-GmbH als Organträgerin, wobei sich die Nachforderungen auf Zeiten vor und nach der Eintragung des Unternehmensvertrags in das Handelsregister bezog. Anschließend wurde über das Vermögen der B-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Streitig blieb, ob und ggf. ab welchem Zeitpunkt eine organisatorische Eingliederung gegeben war und damit eine Organschaft bestand.
Voraussetzungen einer organisatorischen Eingliederung
Eine juristische Person ist organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert, wenn der Organträger die Möglichkeit, die mit der finanziellen Eingliederung verbunden ist, zur Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt. Dabei muss der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen.
Dabei erfordert die organisatorische Eingliederung im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der juristischen Person als Organgesellschaft.
Unterstellt aber die juristische Person dem Organträger nach den Regelungen des § 291 AktG die Leitung ihrer Gesellschaft, begründet der Beherrschungsvertrag die organisatorische Eingliederung. Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Beherrschungsvertrag auch im Handelsregister eingetragen ist. Erst ab diesem Zeitpunkt wird die Organschaft begründet. Eine bloße Stellung als Mehrheitsgesellschafter reicht dagegen nicht aus.
Beherrschungsvertrag geht über Weisungsrecht hinaus
Zwar berechtigt auch die finanzielle Eingliederung, die die Stellung als Mehrheitsgesellschafter vermittelt, gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG die Geschäftsführung des beherrschten Unternehmens zu prüfen und zu überwachen sowie Weisungen zur Ausführung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu erteilen. Aus diesem Weisungsrecht nach GmbHG leitet sich aber noch keine organisatorische Eingliederung ab, weil es nur die Möglichkeit eröffnet, einzelne laufende Angelegenheiten an sich zu ziehen.
Die Rechte aus einem Beherrschungsvertrag sind dagegen weitergehend. Sie führen zur organisatorischen Eingliederung, da sich das Weisungsrecht nach § 308 AktG nicht nur auf die Überwachung beschränkt, sondern sich darüber hinaus auf die Leitung der Gesellschaft (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) bezieht und zudem die Geschäftsführung, die organschaftliche Vertretung sowie Maßnahmen im Innenverhältnis der Gesellschaft unter Einschluss der Rechnungslegung umfasst.
Dem Geschäftsführer der abhängigen GmbH können damit direkt Weisungen erteilt werden, ohne dass der Weg über die Gesellschafterversammlung beschritten werden müsste. Der Beherrschungsvertrag gewährleistet folglich von Rechts wegen den Vorrang des Organträgers vor dem Interesse der Organgesellschaft und rechtfertigt die Eingliederung.
Fehlende Feststellungen des Finanzgerichts
Folglich bestand ab der Eintragung des Unternehmensvertrags im Handelsregister eine Organschaft zwischen beiden GmbHs. Da unklar war, welche Nachforderungen vor diesem Zeitpunkt entstanden waren, hob der BFH die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Finanzgericht.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH schafft Klarheit, künftig muss bei einem Beherrschungsvertrag grundsätzlich von einer umsatzsteuerlichen Organschaft gesprochen werden. Die finanzielle Eingliederung besteht aufgrund der Stimmenmehrheit regelmäßig, die organisatorische Eingliederung aufgrund dieser Entscheidung auch. Die wirtschaftliche Eingliederung wird regelmäßig bei einem Beherrschungsvertrag auch vorliegen, weil sonst ein solcher Vertrag kaum von beiden Gesellschaften geschlossen worden wäre. Daher sollten Steuerberater in ihrem Mandantenkreis sorgfältig überprüfen, ob bei abgeschlossenen Beherrschungsverträgen bereits eine Organschaft gegeben war, aber bisher noch nicht als solche erklärt worden ist. Dies kann ggf. - wie der Besprechungsfall zeigt - zu negativen Haftungsfolgen führen.
BFH, Urt. v. 10.05.2017 - V R 7/16
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht