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Organschaft bei Schwestergesellschaften und Insolvenz

Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung bezüglich einer möglichen umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen Schwestergesellschaften bestätigt. Demnach besteht wegen der fehlenden finanziellen Eingliederung grundsätzlich keine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften. Zudem entschieden die BFH-Richter, dass die Organschaft entfällt, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung, dass zwischen Schwestergesellschaften keine umsatzsteuerliche Organschaft bestehen kann, trotz der jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) festhält.

Im Besprechungsfall hatte das Finanzamt über mehrere Jahre eine Organschaft zwischen zwei Schwestergesellschaften – einer GmbH und einer KG – anerkannt. Aufgrund dieser Organschaft hatte die KG Umsatzsteuern für die GmbH ans Finanzamt abgeführt und von diesem wieder erstattet bekommen. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt und ein vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter eingesetzt worden war, meldete das Finanzamt Umsatzsteuerforderungen zur Insolvenztabelle an. Dagegen erhob der Insolvenzverwalter erfolglos Widerspruch. Seine darauffolgende Klage vor dem Finanzgericht blieb ebenso erfolglos, was der BFH aus folgenden Gründen bestätigte.

Keine bestehende Organschaft im streitigen Zeitraum

Der BFH lehnt eine Organschaft für den zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Finanzamt streitigen Zeitraum ab. Denn zum einen besteht nach BFH-Rechtsprechung zwischen Schwestergesellschaften keine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Zum anderen ist die Organschaft, selbst wenn sie entgegen der BFH-Rechtsprechung zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hätte, spätestens mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt für die GmbH als (angebliche) Organgesellschaft beendet, weil es spätestens ab dann an der organisatorischen Eingliederung fehlt.

Insgesamt sieht der BFH auch unter Berücksichtigung aller Vorgaben des Unionsrechts und der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung keinen Grund, seine Rechtsprechung zu ändern.

Kein anderes Ergebnis unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes

Weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch der Grundsatz des Vertrauensschutzes stehen einer Anmeldung der Umsatzsteuern als Forderungen im Insolvenzverfahren entgegen, wenn die GmbH bei einer Organschaft, die zunächst unzutreffend angenommen worden ist und bei der sie rechtsfehlerhaft als Organgesellschaft angesehen wurde, die tatsächlich von ihr als Steuerschuldner geschuldeten Umsatzsteuern vom vermeintlichen Organträger wieder erstattet bekommen hat.

Bei den Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben sowie von Vertrauensschutz sind nur Maßnahmen, Handlungen oder Dispositionen des Steuerpflichtigen von Bedeutung. Insoweit ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass das Finanzamt die Umsatzsteuern an die KG erstattet hat, die von Letzterer als vermeintlichem Organträger an das Finanzamt gezahlt worden waren. Ferner ist zu bedenken, dass der Insolvenzverwalter auf Basis der zwischen der GmbH und der KG bestehenden Verträge erfolgreich von der KG verlangt hat, die erstatteten Umsatzsteuern in die Insolvenzmasse auszuzahlen.

Hat also das Finanzamt Umsatzsteuern an die KG als vermeintlichen Organträger der GmbH erstattet und die GmbH von der KG die erstatteten Umsatzsteuern erhalten, ist das Finanzamt durch Treu und Glauben nicht daran gehindert, ebendiese Steuern gegen die GmbH als Steuerschuldner im Insolvenzverfahren der GmbH geltend zu machen.

Schließlich kommt auch eine Änderung aufgrund des Vertrauensschutzes in direkter oder entsprechender Anwendung des § 176 AO nicht in Betracht. Denn nicht nur ist das Finanzamt, sondern ebenso sind auch die GmbH und die KG – im Zivilrechtsstreit um die Auszahlung der erstatteten Umsatzsteuern – von einem Fehlen der organisatorischen Eingliederung ausgegangen. Die Rechtsprechungsänderung des BFH zur finanziellen Eingliederung war daher nicht kausal für den geltend gemachten Vertrauensschutz.

Praxishinweis

Auf den zweiten Blick wird die Bedeutung dieser Entscheidung klar. Der BFH bestätigt – insbesondere vor dem Hintergrund der letzten Entscheidungen des EuGH, der wohl eine vom BFH abweichende Beurteilung von Personengesellschaften als Organgesellschaften eingenommen hat – seine bisherigen Grundsätze: Erstens besteht grundsätzlich keine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften, es fehlt dazu die finanzielle Eingliederung. Eine Organschaft kann also allenfalls durch eine Muttergesellschaft vermittelt werden, in die beide Schwestergesellschaften finanziell eingegliedert sind. Zweitens wird eine Organschaft dadurch beendet, dass über das Vermögen einer Organgesellschaft ein vorläufiger (schwacher) Insolvenzverwalter eingesetzt wird. Insgesamt kann aus der Entscheidung abgeleitet werden, dass die bisherigen Grundsätze insoweit weiter gültig sind. Damit besteht vorerst Rechtssicherheit.

BFH, Urt. v. 24.08.2016 - V R 36/15

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht