Kann ein Verpächter einen Vorsteuerabzug durchführen, wenn der Vertrag gegen Geldzahlung an die Pächter vorzeitig aufgelöst und das Grundstück später umsatzsteuerfrei veräußert wird? Der BFH hat dies bejaht, wenn kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der bezogenen Verzichtsleistung der Pächter auf langfristige Pacht und der beabsichtigten Grundstücksveräußerung besteht.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob der Verpächter einen Vorsteuerabzug hat, wenn ein Pächter den Pachtvertrag vorzeitig gegen Abfindungszahlung auflöst und der Verpächter das Grundstück später steuerfrei veräußert.
Der Eigentümer hatte ein bebautes Grundstück langfristig steuerpflichtig verpachtet. Die Pächterin wiederum hatte das Grundstück unterverpachtet. Der Eigentümer schloss mit den Pächtern eine Aufhebungsvereinbarung. Er beabsichtige ausweislich der Vorbemerkung zur Aufhebungsvereinbarung, das Grundstück zum Zweck einer künftig anderweitigen Nutzung zu veräußern, und sah sich durch den langfristigen Pacht- und Unterpachtvertrag an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums gehindert.
Die Vertragsparteien einigten sich auf die vorzeitige Aufhebung der Pachtverträge rund acht Jahre vor dem ursprünglichen Ende mit der Option, diese schon während der nunmehr verkürzten Vertragslaufzeit zu kündigen. Der Eigentümer verpflichtete sich im Gegenzug, eine „Entschädigung“ zzgl. 19 % Umsatzsteuer an die Pächterin bzw. Unterpächterin zu zahlen.
Die Pächterin kündigte das Pachtverhältnis vorzeitig und stellte dem Eigentümer die vereinbarten Gegenleistungen für sich und die Unterpächterin nebst Umsatzsteuer in Rechnung. Später veräußerte der Eigentümer das Grundstück umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt ließ den geltend gemachten Vorsteuerabzug für den Pachtverzicht nicht zu. Das Finanzgericht und der BFH hingegen gaben dem Eigentümer Recht.
Vorsteuerabzug unabhängig vom Zweck der Aufwendungen möglich
Da das Mehrwertsteuersystem eine völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis gewährleistet, sofern diese selbst der Mehrwertsteuer unterliegen, darf nicht willkürlich zwischen Ausgaben für die Zwecke eines Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme seiner Tätigkeit sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der Beendigung dieser Tätigkeit unterschieden werden.
In Bezug auf die Übertragung eines Gesamtvermögens ist daher anerkannt, dass die Kosten der für diese Übertragung erbrachten Dienstleistungen als fester Bestandteil der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen vor der Übertragung anzusehen sind und ihm das Recht auf Vorsteuerabzug zuzuerkennen ist.
Dies gilt selbst dann, wenn der Unternehmer nach der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen nicht mehr wirtschaftlich tätig wird. Ebenso ist das Recht auf Vorsteuerabzug bei der Liquidation eines Betriebs anzuerkennen, soweit es dabei nicht zu Betrügereien und Missbräuchen kommt.
Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen dagegen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kommt es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer.
Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Das Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs ist daher in Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu beurteilen.
Berechtigung zum Vorsteuerabzug des Verpächters
Zwar bestand kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Auflösungszahlung und den steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen des Eigentümers. Denn er hat die Leistung der Pächter nicht bezogen, um steuerpflichtige Verpachtungsumsätze auszuführen. Die betreffende Zahlung diente vielmehr dazu, die steuerpflichtige Verpachtung alsbald vorzeitig zu beenden.
Der Eigentümer ist aber gleichwohl zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die Kosten für die zur vorzeitigen Beendigung der Verpachtung führende Abkürzung der Vertragslaufzeit zu den allgemeinen Aufwendungen seiner steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit gehören und als solche Kostenelemente der ausgeführten Verpachtungsumsätze sind.
Die fraglichen Kosten hängen direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Verpachtungstätigkeit zusammen. Ausgaben zum Zweck der Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit sind wegen des Neutralitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Da das Recht auf Vorsteuerabzug bei der Liquidation eines Betriebs anzuerkennen ist, soweit es dabei nicht zu Betrügereien und Missbräuchen kommt, darf dem Eigentümer der von ihm geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht versagt werden.
Dagegen besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der vom Eigentümer bezogenen Verzichtsleistung der Pächter auf langfristige Pacht und der beabsichtigten Grundstücksveräußerung. Diese Eingangsleistung ist somit nicht als für die Grundstücksveräußerung verwendet zu betrachten.
Auf die möglicherweise von Anfang an bestehende Absicht des Eigentümers, das Grundstück zum Zweck einer künftig anderweitigen Nutzung steuerfrei zu veräußern, kam es vorliegend nach Ansicht des BFH nicht an. Eine den Vorsteuerabzug ausschließende Verwendung der bezogenen Verzichtsleistung der Pächter für Zwecke steuerfreier Umsätze lag mithin nicht vor.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung konkretisiert, unter welchen Umständen ein Vorsteuerabzug aus Auflösungszahlungen eines Miet- oder Pachtvertrags im Zusammenhang mit einem späteren Verkauf möglich ist. Der BFH wendet die Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs konsequent an und fordert dazu einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Abstandszahlung und eigenen Umsätzen bzw. späterem Verkauf. Jeder Vermieter und Verpächter bzw. dessen steuerlicher Berater sollte die Grundsätze dieser Entscheidung kennen, wenn er einen Verkauf seines Grundstücks vornehmen und zuvor ein Miet- oder Pachtverhältnis gegen Abfindungszahlung auflösen will.
BFH, Urt. v. 13.12.2017 - XI R 3/16
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht