Wann ist ein Vorsteuerabzug aus Anzahlungen möglich? Der BFH hat entschieden, dass dafür der Steuertatbestand zum Zeitpunkt der Anzahlung „sicher“ eintreten und der Gegenstand der Lieferung genau bestimmt sein muss. Nicht ausschlaggebend ist hierbei, ob der Zahlungsempfänger die Leistung erbringen kann oder will. Im Streitfall war ein Blockheizkraftwerk bestellt, aber nicht geliefert worden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ein Vorsteuerabzug aus Anzahlungen möglich ist:
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der Kläger bestellte bei der A-GmbH ein Blockheizkraftwerk und erhielt von der A-GmbH dafür eine Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer (USt), woraufhin der Kläger den Kaufpreis zahlte. Anschließend schloss der Kläger mit der A-GmbH einen Pachtvertrag über das Blockheizkraftwerk für einen Zeitraum von zehn Jahren und erhielt dafür eine monatliche Vergütung, die ebenfalls zuzüglich USt angegeben war.
Zu der Lieferung des Blockheizkraftwerks kam es nicht. Das Finanzamt (FA) erkannte den Vorsteuerabzug des Klägers aus dem Erwerb des Blockheizkraftwerks nicht an, sondern beurteilte die vom Kläger in Rechnung gestellte USt als unberechtigt ausgewiesene USt gem. § 14c Abs. 2 UStG und setzte diese gegenüber dem Kläger fest. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der BFH folgte dem FG.
Vorsteuerabzug bei Anzahlungen
Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des Umsatzsteuerrechts besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar. Dies gilt nur dann, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.
Damit ist das Recht auf Vorsteuerabzug anwendbar, wenn der Anspruch auf die abziehbaren Steuern entsteht. Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, besteht die Berechtigung zum Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts.
Die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug auf eine Zahlung vor Ausführung der Umsätze sind vorliegend für den BFH erfüllt. Der Kläger hat die geforderte Anzahlung für das bestellte Blockheizkraftwerk geleistet.
Darüber hinaus lag dem Kläger eine ordnungsgemäße Rechnung über die (künftige bzw. zeitnahe) Lieferung eines Blockheizkraftwerks vor. Auch die Bedingung, dass der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung „sicher“ sein muss, ist erfüllt.
Erforderlich ist hierbei, ob im Zeitpunkt der Anzahlung alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands bereits bekannt sind, so dass der Gegenstand der Lieferung genau bestimmt ist.
Bei dem vorliegenden Sachverhalt trifft dies zu, denn es waren alle maßgeblichen Elemente der künftigen Lieferung des Blockheizkraftwerks, wie etwa Kaufgegenstand, Kaufpreis und Lieferzeitpunkt, festgelegt.
Nicht zu berücksichtigen ist, dass von Anfang an feststand, dass es nicht zu der Lieferung des Blockheizkraftwerks kommen würde. Denn der Vorsteuerabzug aus einer Voraus- oder Anzahlungsrechnung hängt nicht davon ab, ob der Zahlungsempfänger im Zahlungszeitpunkt die Leistung objektiv erbringen kann oder ob er das will.
Es reicht vielmehr aus, wenn anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, inwiefern der Voraus- oder Anzahlende zum Zeitpunkt der Zahlung wusste oder hätte wissen müssen, dass die Bewirkung der Lieferung oder Erbringung der Dienstleistung ungewiss ist.
Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger als Vertragspartner die Absicht hatte, die mit der Bewirkung der Lieferung oder der Erbringung der Dienstleistung verbundenen finanziellen Folgen auf sich zu nehmen. Der Kläger hätte nämlich bereits Kenntnis über die ungewisse Bewirkung der Lieferung oder Erbringung der Dienstleistung erlangen müssen.
Zudem handelt es sich nach Ansicht des BFH nicht um einen unberechtigten Steuerausweis i.S.v. § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, für den der Vorsteuerabzug mangels gesetzlicher Steuerschuld für eine Leistung nicht in Anspruch genommen werden kann.
Denn ist eine Unsicherheit über die ausstehende Leistungserbringung zu verneinen, entsteht die Steuer aufgrund der Zahlung und berechtigt zum Vorsteuerabzug. Der Kläger hat den Vorsteuerabzug schließlich auch nicht zu berichtigen. Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs setzt eine Rückzahlung voraus, an der es fehlt.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine bisherigen Grundsätze zum Vorsteuerabzug bei Anzahlungen noch einmal bestätigt: Der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung setzt voraus, dass der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung „sicher“ sein muss. Dafür ist entscheidend, ob im Zeitpunkt der Anzahlung alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands bereits bekannt sind, sodass der Gegenstand der Lieferung genau bestimmt ist.
Der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung hängt nicht davon ab, ob der Zahlungsempfänger im Zahlungszeitpunkt die Leistung objektiv erbringen kann oder will. Es reicht vielmehr aus, wenn anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, dass der Anzahlende zum Zeitpunkt der Zahlung wusste, dass die Bewirkung der Lieferung oder Erbringung der Dienstleistung nicht gewiss ist.
Der BFH hat dies ausdrücklich für eine Lieferung entschieden, für sonstige Leistungen dürfte dies aber ebenfalls gelten. Denn Lieferungen und sonstige Leistungen werden hinsichtlich des Vorsteuerabzugs und der Rechnungsberichtigung bzw. der Korrektur nach § 17 UStG einheitlich behandelt. Die Praxis sollte sich also künftig nach diesen Grundsätzen richten.
BFH, Urt. v. 27.03.2019 - V R 6/19 (V R 33/16)
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz