Wann ist für Rechtsanwaltskosten, die in einem Insolvenzverfahren anfallen, ein Vorsteuerabzug möglich? Nach dem BFH gilt: Aufwendungen für die Abwicklung eines insolventen Unternehmens gehören grundsätzlich zu den Allgemeinkosten der früheren unternehmerischen Tätigkeit. Die Höhe der abziehbaren Vorsteuer hängt von dieser ehemaligen Tätigkeit und der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Leistung ab.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18.09.2019 entschieden, dass auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens angefallene Rechtsanwaltskosten grundsätzlich abzugsfähig sind, auch wenn keine Ausgangsumsätze mehr getätigt werden. Dann richtet sich der Anteil der abziehbaren Vorsteuer nach der ehemals von dem Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit.
Sachlage im Streitfall
Die Steuerpflichtige war Besitzerin und Betreiberin eines Einkaufszentrums mit Geschäften, Dienstleistungsangeboten und umfangreichen Freizeitaktivitäten.
Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Steuerpflichtigen beauftragte der Insolvenzverwalter einen Rechtsanwalt. Dieser sollte prüfen, ob den Kommanditisten neben ihrem Gewinnanteil auch Teile ihrer Kommanditeinlage ausgezahlt worden sind und wieder zurückgefordert werden können.
Die in den Honorarabrechnungen des Rechtsanwalts ausgewiesene Umsatzsteuer machte der Insolvenzverwalter für die Steuerpflichtige als Vorsteuer geltend.
Dies lehnte das Finanzamt (FA) im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung ab, da die Leistungen des Rechtsanwalts sich nicht auf die Kapitalbeschaffung für die weitere unternehmerische Tätigkeit der Steuerpflichtigen beziehen, sondern den persönlichen Interessen der Gesellschafter dienten. Zudem fehlt ein direkter Zusammenhang mit einzelnen unternehmerischen Leistungen der Steuerpflichtigen.
Das Finanzgericht (FG) folgte dem FA und lehnte die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid ab. Der hiergegen eingelegten Revision gab der BFH statt und hob das Urteil des FG auf.
Zusammenhang der Leistung
Die Vorsteuer einer Eingangsleistung kann gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, 2 UStG abgezogen werden, wenn die Eingangsleistung in einem direkten Zusammenhang mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen steht, welche zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Fehlt es an einem direkten Zusammenhang mit einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann ein Recht auf Vorsteuerabzug trotzdem gegeben sein, wenn die Kosten zu den allgemeinen Ausgaben des laufenden Geschäftsbetriebs gehören.
In diesem Fall richtet sich der Vorsteuerabzug nach dem Anteil der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Leistungen im Verhältnis zum Gesamtumsatz. Dieser allgemeine Zusammenhang zu dem Geschäftsbetrieb ist ebenfalls gegeben, wenn die Ausgaben zwar erst nach der Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit entstanden sind, diese jedoch der Abwicklung der allgemeinen unternehmerischen Tätigkeit dienten.
Der Vorsteuerabzug für die im Nachhinein entstandenen Prozesskosten richtet sich dabei nach dem Streitgegenstand des Prozesses. Nach der Rechtsprechung des BFH gehören Kosten für Streitigkeiten zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern zu den allgemeinen Kosten des Geschäftsbetriebs und berechtigen daher grundsätzlich zum Vorsteuerabzug.
Abzugrenzen davon sind jedoch Kosten, welche den Gesellschaftern persönlich bei der Beratung im Rahmen des Insolvenzverfahrens, wie z.B. Steuerberatungskosten, angefallen sind. Dienen die Aufwendungen jedoch der Erhöhung der Insolvenzmasse, so werden die Leistungen dem Unternehmen zugeordnet, auch wenn indirekt die Gesellschafter davon profitieren.
Praxishinweis
Auch nach Beendigung der unternehmerischen Tätigkeiten sollte für angefallene Leistungen der Vorsteuerabzug weiterhin geprüft werden. Die Vorsteuer aus den Leistungen für die Abwicklung des Geschäftsbetriebs ist im Verhältnis der ehemals getätigten Umsätze abzugsfähig. Dies gilt insbesondere für Vorsteuer aus den Leistungen des Steuerberaters, welche regelmäßig auch nach Beendigung des Geschäftsbetriebs anfallen.
Im Insolvenzverfahren berechtigen sämtliche Leistungen, die für die Beendigung des Unternehmens erforderlich sind, zum Vorsteuerabzug und sollten daher stets vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
BFH, Urt. v. 18.09.2019 - XI R 19/17
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Finanzwirt Christian Kappelmann