Grundsteuer: Musterverfahren in NRW

Das FG Köln hat erstmalig in einem Verfahren verhandelt, das die Bewertung einer Immobilie für die neue Grundsteuer in NRW betrifft.

Die Klage richtete sich gegen einen Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts zum 01.01.2022 nach dem Bundesmodell. Das FG Köln hat entschieden, dass die neue Grundsteuerbewertung nicht zu beanstanden ist.

FG Köln, Urt. v. 19.09.2024 - 4 K 2189/23, Rev. zugelassen

Kurzfassung

Die Grundsteuerreform

Das BVerfG hatte das damalige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße.

Es hatte weiterhin entschieden, dass spätestens bis zum 31.12.2019 eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden musste.

Mit der Grundsteuerreform wurden die Vorgaben des Urteils des BVerfG vom 10.04.2018 - 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 im Grundsteuer- und im Bewertungsgesetz sowie in weiteren damit zusammenhängenden Vorschriften umgesetzt und die Grundsteuer wurde unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG fortentwickelt.

Das BMF und nahezu alle Länder hatten sich bereits früh auf das sog. Bundesmodell verständigt. Zugleich wurde Ländern, die sich diesem Modell nicht anschließen wollten, aufgrund einer Änderung des Grundgesetzes die Möglichkeit gegeben, ein eigenes Grundsteuermodell oder punktuell vom Bundesmodell abweichende landesgesetzliche Regelungen einzuführen ("Öffnungsklausel").

Gegen die neu erlassenen Grundsteuerwertfeststellungsbescheide sowie die Grundsteuermessbetragsbescheide sind allein in NRW mehr als 1 Mio. Einsprüche eingelegt worden.

Der Bund des Steuerzahler unterstützt derzeit zahlreiche Musterklagen gegen Bescheide über die Feststellung des Grundsteuerwerts zum 01.01.2022 nach dem Bundesmodell.

Hinweis: Die Aktenzeichen der aktuell bei den FG anhängigen weiteren Verfahren lauten:

  • FG Berlin-Brandenburg: 3 K 3142/23
  • FG Rheinland-Pfalz: 4 K 1205/23
  • FG Düsseldorf: 11 K 2310/23 Gr und 11 K 2309/23 Gr
  • FG Sachsen: 5 K 612/24, 5 K 613/24, 5 K 614/24 und 5 K 615/24

Urteilsfall

Die Kläger sind seit 2019 je zur Hälfte Eigentümer einer Eigentumswohnung, die sich im Souterrain eines vor 1949 errichteten Mehrfamilienhauses befindet. Die Wohnfläche beträgt nach Angaben der Kläger 54 qm.

Nach Einreichung der entsprechenden Steuererklärungen erließ das Finanzamt den Grundsteuerwert erklärungsgemäß zum 01.01.2022.

Es berücksichtigte bei der Bewertung einen einschlägigen Bodenrichtwert von 2.280 €/qm, einen Grund und Bodenanteil von 35 qm, einen Liegenschaftszins von 2,8 %, eine Restnutzungsdauer von 24 Jahren (30 % von 80 Jahren gem. § 253 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Anlage 38 zum BewG) und eine nach Maßgabe der Mietniveaustufe 6 ermittelte monatliche Kaltmiete von 10,18 € (Anlage 39 I und II zum BewG).

Gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und vertraten die Auffassung, dass die neue Grundsteuerbewertung - wie die Vorgängerregelung - verfassungswidrig sei.

Von einer gleichheitsgerechten Bewertung könne nach Ansicht der Kläger mit Blick darauf, dass die Bundesländer jeweils eigene Regeln erlassen dürften, keine Rede sein. Der Grundsteuermessbetrag habe sich wesentlich erhöht.

Auf kommunaler Ebene würde zum Teil an höchst abweichenden Bodenrichtwerten identischer Wohnbezirke festgehalten.

Ansicht des Finanzamts

Nach Ansicht des Finanzamts entspricht der auf den 01.01.2022 festgestellte Grundsteuerwert unstreitig den Vorgaben des geltenden Rechts und ist auch verfassungsgemäß.

Der Bund habe gem. Art. 105 Abs. 2 GG uneingeschränkt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz erhalten und die Verfahren zur Bewertung des Grundvermögens in Reaktion auf das o.g. Urteil des BVerfG vom 10.04.2018 gleichheitskonform ausgestaltet.

Soweit der Gesetzgeber dabei stark typisiert habe, sei das nicht zu beanstanden. Die Differenzierung der einzelnen Grundstücksarten (§ 249 BewG), die darauf beruhende Zuordnung zu einem sachgerechten Bewertungsverfahren (§ 250 BewG) und die typisierende Anwendung spezifischer Bewertungsfaktoren gewährleisteten eine realitätsgerechte Abbildung aller Wirtschaftsgüter innerhalb des Grundvermögens.

Bei steuerlichen Masseverfahren könnte Praktikabilitätserwägungen Vorrang vor Gesichtspunkten der Ermittlungsgenauigkeit eingeräumt werden, um nicht nur eine Verwaltungsvereinfachung, sondern auch vereinfachte Verfahrenslasten für die Steuerbürger zu erreichen.

Bei späteren Hauptfeststellungszeitpunkten könne so bei gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen auf die Anforderung von manuell auszufüllenden Steuererklärungen verzichtet werden.

Da die Kläger eine weitergehende Begründung ihrerseits nicht für erforderlich hielten, zumal das BVerfG über die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage zu befinden habe, baten diese um Erlass einer klagefähigen Entscheidung.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30.11.2023 wies das Finanzamt den Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Daraufhin zogen die Kläger vor das FG Köln.

Ansicht der Kläger

Die Kläger sind der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts zum 01.01.2022 auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Grundsteuergesetzes erlassen worden und damit ersatzlos aufzuheben sei.

Zur Begründung führten sie an, dass dem Bund nach dem am 15.11.2019 geänderten Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG (vorbehaltlos) die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer zustehe, das Grundsteuermodell jedoch bereits erarbeitet worden sei, als sich diese im Jahr 2019 erfolgte Grundgesetzänderung noch nicht abgezeichnet habe.

Zudem sei eine Steuerbemessung nach durchschnittlichen Lagewerten anhand der Bodenrichtwerte teilweise ungenau, vor allem dann, wenn Gutachterausschüsse für bestimmte Gebiete keine Bodenrichtwerte bestimmten oder mangels ausreichender Daten in den Kaufpreissammlungen bei der Bestimmung der Bodenrichtwerte auf vergleichbare Flächen zurückgegriffen werde müsse.

Die Bodenrichtwerte wiesen ebenfalls systematische Bewertungslücken auf und seien über die Bundesrepublik Deutschland hinweg wenig vergleichbar.

Das streitgegenständliche Grundvermögen sei mit einem Bodenrichtwert von 2.280 €/qm angesetzt worden, während für die nicht weit entfernt liegende Eigentumswohnung der Kläger in der W-Straße ... im Stadtteil Z (Baujahr 2013) der Bodenrichtwert nur 530 €/qm betrage.

Zudem blieben maßgebliche Parameter wie individuelle privatrechtliche Vereinbarungen und Belastungen, individuelle öffentlich-rechtliche Merkmale wie Baulasten, Denkmalschutzauflagen, Immissionen, ein besonders guter Erhaltungszustand oder Baumängel gleichheitswidrig außer Ansatz.

Die "vorgenommene halbherzige Vereinfachung" verletzt nach Ansicht der Kläger das Gebot der folgerichtigen Steuerbemessung.

Entscheidung des FG Köln

Nach Ansicht des FG ist die Klage unbegründet. Der Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 01.01.2022 entspreche der eingereichten Steuererklärung und berücksichtige gesetzeskonform die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. BewG.

Das neue Bewertungsrecht zur Grundsteuer ist nach Ansicht des FG auch verfassungsgemäß, so dass eine Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht komme. Anlass der gesetzlichen Neuregelung war die o.g. Entscheidung des BVerfG vom 10.04.2018, wonach die bisherige Einheitsbewertung nicht mehr mit dem Grundgesetz in Einklang steht.

Das BVerfG hatte moniert, dass es aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs zu strukturell bedingten Bewertungsverzerrungen gekommen ist, die mit dem Gleichheitssatz nicht mehr vereinbar sind, und dem Gesetzgeber aufgegeben, einen verfassungsgemäßen Zustand zu schaffen, der "von der Reparatur der beanstandeten Regelungen" bis zur "vollständigen Neugestaltung der Bewertungsvorschriften" reichen dürfe.

Die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer muss nach den Ausführungen des BVerfG so gewählt und ihre Erfassung so ausgestaltet sein, dass sie den mit der Steuer verfolgten Belastungsgrund in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abbildet.

Nach Ansicht des FG hat der Gesetzgeber das neue Grundsteuerrecht verfassungskonform ausgestaltet. Eine verhältnismäßige und folgerichtige Besteuerung ist gewährleistet, da das Gesetz sich auf der Bewertungsebene am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert und den Sollertrag mittels einer verkehrswertorientierten Bemessungsgrundlage bemisst.

Der Gesetzgeber knüpft zudem für die Bewertung der Gebäudekomponente an den Rohertrag an. Dieser wird unter Ansatz pauschalisierter, aus dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts abgeleiteter durchschnittlicher Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche ermittelt.

Damit werden zwar tatsächlich gezahlte Mieten für vermieteten Wohnraum ausgeblendet, dies gewährleistet aber auf der anderen Seite eine Gleichbehandlung von selbstgenutzten und vermieteten Grundstücken und trägt damit in gewisser Weise zu einer gleichheitsgerechten Ausgestaltung bei.

Bei der Bodenkomponente wird die Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert multipliziert mit der Folge, dass Besonderheiten des einzelnen Grundstücks zum Teil zwar vernachlässigt werden.

So sind objektspezifische Anpassungen nur in den in § 247 Abs. 1 Satz 2 und § 257 Abs. 1 i.V.m. Anlage 36 zum BewG geregelten Fällen - bei abweichendem Entwicklungszustand, abweichender Art der Nutzung bei überlagernden Bodenrichtwertzonen und abweichender Grundstücksgröße von Ein- und Zweifamilienhäusern - vorgesehen.

Die Anknüpfung an die von den Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerte und die Begrenzung der objektspezifischen Anpassungen auf die im Gesetz genannten Fälle bedeutet aber nach Ansicht des FG eine unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten angemessene Vereinfachung.

Den Gutachterausschüssen wird aufgrund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Boden(richt)werten zuerkannt.

Das nunmehr geschaffene Bewertungsmodell hat den Hinweisen des BVerfG Rechnung getragen und den durch Art. 3 GG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum nach Überzeugung des FG eingehalten.

Als vorrangige Bewertungsmethode hat der Gesetzgeber der Systematik der Grundsteuer als Sollertragsteuer folgend ein typisiertes, vereinfachtes Ertragswertverfahren und als Auffangverfahren für Nichtwohngrundstücke ein vereinfachtes Sachwertverfahren normiert.

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Fazit

Abzuwarten bleibt, wie die weiteren anhängigen Musterverfahren entschieden werden. Zudem wurde die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Der Gesetzgeber des Landes NRW hat die Rechtsprechung des BFH in seinen Beschlüssen vom 27.05.2024 - II B 78/23 (AdV), BStBl II 2024, 543, II B 79/23 (AdV), BStBl II 2024, 546, bereits aufgegriffen und Steuerpflichtigen in Ergänzung zu § 220 BewG in § 2 NWGrStHsG vom 04.07.2024 die Möglichkeit eröffnet, erhebliche Abweichungen von dem nach dem Bewertungsgesetz ermittelten Grundsteuerwert nachzuweisen, um zu erreichen, dass ein niedrigerer gemeiner Wert anzusetzen ist. Ich könnte mir vorstellen, dass es auch noch weitere kleinere Schönheitskorrekturen geben wird.

Julia Goldbaum, Steuerberaterin, Dipl. Finanzwirtin

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