Die derzeitige steuerliche Behandlung von Renten ist verfassungsgemäß. Das hat zuletzt das Bundesverfassungsgericht entschieden. Demnach verstößt die Besteuerungspraxis durch das Alterseinkünftegesetz, wonach Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur begrenzt abzugsfähig sind, nicht gegen das Grundgesetz. Andere Fragen bei der Rentenbesteuerung sind allerdings weiterhin offen.
Altersvorsorgeaufwendungen
Durch das Alterseinkünftegesetz vom 05.07.2004 hat der Gesetzgeber das System der Besteuerung von Renten umgestellt: Nach einer Übergangszeit sollen die Renteneinkünfte voll besteuert und die zum Erwerb der Rentenanwartschaften gezahlten Beiträge als Sonderausgaben voll abgezogen werden können (sog. nachgelagerte Besteuerung). Allerdings sind die Beiträge in der Übergangszeit lediglich bis zu einem Höchstbetrag als Sonderausgaben abzugsfähig. Dieser Höchstbetrag wird um die steuerfreien Beiträge des Arbeitgebers gekürzt und steigt stufenweise bis zum Ende der Übergangszeit an. Gleichzeitig werden Renteneinkünfte stufenweise bis zum Ende der Übergangszeit zunehmend besteuert: ab 2005 in Höhe von 50 %, jährlich steigend bis auf 100 % im Jahr 2040.
Streitiger Sachverhalt für die Verfassungsbeschwerden
Gegen die Ausgestaltung der Übergangszeit haben sich zwei Steuerpflichtige mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG gewehrt: In dem einen Verfahren wollte eine Angestellte den Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe als vorweggenommene Werbungskosten steuermindernd absetzen. Einspruch und Klage sowie Revision blieben erfolglos.
In dem anderen Verfahren wollte ein angestellter Steuerberater und vereidigter Buchprüfer die von ihm an das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer gezahlten Beiträge vollständig als Werbungskosten abziehen. Dazu beantragte er im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren die Eintragung der von ihm zu zahlenden Beiträge an das Versorgungswerk als vorweggenommene Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte. Einspruch und Klage sowie Revision waren ebenfalls nicht erfolgreich.
Verbot der doppelten Besteuerung
Das BVerfG billigt die Ansicht des Gesetzgebers, Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben zu qualifizieren. Dies ist für das Gericht von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das BVerfG teilt die Einschätzung des BFH, dass die Beiträge, die an die gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgungseinrichtungen gezahlt werden, aufgrund ihrer materiellen Rechtsnatur lediglich teilweise als Werbungskosten einzustufen sind. Denn die Beitragszahlungen dienen über den Erwerb zukünftiger Einnahmen hinaus gleichzeitig zur Vermögensbildung und/oder Finanzierung von versicherungsspezifischen Komponenten, wie z.B. der Finanzierung von Rehabilitationsleistungen der Gemeinschaft der Beitragszahler. Dies unterscheidet die Aufwendungen zur Altersvorsorge von anderen vorweggenommenen Werbungskosten.
Für das BVerfG sind nur die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass keine doppelte Besteuerung eintreten kann. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, zu welchem Zeitpunkt die Besteuerung von Altersbezügen erfolgen muss: vor- oder nachgelagert. Das BVerfG macht aber keine Vorgaben, ob dies durch entsprechende Regelungen in der Aufbau- oder in der Versorgungsphase vom Gesetzgeber vorgesehen wird. Aus dem Verbot doppelter Besteuerung lässt sich daher auch kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der Beiträge in der Aufbauphase folgern.
Beschränkung der abzuziehenden Beiträge als Missbrauchsverhinderung
Das BVerfG billigt die für die Übergangszeit vorgesehene Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen auf jährlich bis zu 20.000 € für Ledige bzw. 40.000 € für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften. Ausdrücklich akzeptiert das BVerfG auch die Begründung des Gesetzgebers, wonach diese Regelungen getroffen wurden, um einen Missbrauch zu vermeiden. Die Begrenzung auf ein Volumen, das weit oberhalb der Höchstbeträge zur gesetzlichen Rentenversicherung liegt, diente aus Sicht des Gesetzgebers dazu, eine unerwünschte Umschichtung erheblicher Beträge in Rentenversicherungsprodukte insbesondere durch jüngere Steuerpflichtige zu verhindern.
Keine Überprüfung auf Zweckmäßigkeit
Konsequenterweise billigt das BVerfG auch die Übergangsregelung bezüglich des begrenzten und jährlich steigenden Abzugs von Altersvorsorgeaufwendungen bis zu deren vollen Abzugsfähigkeit ab dem Jahr 2025. Mit diesen Regelungen können nach Ansicht der Verfassungshüter zwar Ungleichbehandlungen verbunden sein, die aber während der Übergangszeit - solange keine verbotene Doppelbesteuerung eintritt - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. In diesem Zusammenhang stellt das BVerfG klar, dass es auch bei Abweichungen vom Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit nicht zu untersuchen hat, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Vielmehr hat es nur zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat. Dies ist nach Ansicht der Karlsruher Richter derzeit nicht der Fall.
Allerdings trifft das BVerfG jetzt auch keine Entscheidung darüber, welche Faktoren im Einzelnen bei der Prüfung einer Doppelbesteuerung von Verfassungs wegen berücksichtigt werden dürfen oder gar müssen. Aus diesem Grund kann die Frage der Doppelbesteuerung auch erst in den Veranlagungszeiträumen der Rentenbesteuerung verfassungsrechtlich beurteilt werden. Die dafür maßgebenden steuerrechtlichen Zusammenhänge ergeben sich erst aus einer Gesamtbetrachtung der steuerlichen Vorschriften der Aufbau- sowie der Rückflussphase und damit erst in einer zukünftigen Beurteilung.
Keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Beamten
Die Übergangsregelung beinhaltet keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu Beamten. Denn der Gesetzgeber durfte bei der Neuregelung insbesondere berücksichtigen, dass die vor Einführung des Alterseinkünftegesetzes geltende Rentenbesteuerung der gesetzlich Rentenversicherungspflichtigen im Vergleich zur Besteuerung der Versorgungsbezüge von Beamten verfassungswidrig war, weil sie die Beamten in einer Weise privilegierte, die mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr vereinbar war. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Pflicht, diese gleichheitswidrige steuerliche Bevorzugung zu beseitigen, war der Gesetzgeber nicht gehalten, die dadurch bedingte geringere steuerliche Entlastung der Gruppe der gesetzlich Rentenversicherungspflichtigen durch eine vom angestrebten Ziel der nachgelagerten Besteuerung abweichende Regelung für Beamte während des Übergangszeitraums zu kompensieren.
Praxishinweis
Durch die Entscheidungen des BVerfG steht nun fest, dass die Neuregelung der Altersvorsorge durch das Alterseinkünftegesetz verfassungsgemäß ist. Die im Hinblick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden ruhenden Einspruchsverfahren werden damit wohl kurzfristig beendet werden. Interessant ist nun allerdings, wie andere Fragestellungen im Hinblick auf das Alterseinkünftegesetz zu beurteilen sind. Beispielsweise ist noch ungeklärt, ob Zahlungen eines gesetzlich Versicherten zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs vorweggenommene Werbungskosten zu § 22 EStG sein können. Insoweit spricht vieles dafür, dass auch solche Zahlungen allenfalls Sonderausgaben, aber keine vorweggenommenen Werbungskosten sein können. Es bleibt aber abzuwarten, wie der BFH diese Frage im Licht der Beschlüsse des BVerfG entscheiden wird.
BVerfG, Beschl. v. 14.06.2016 - 2 BvR 290/10
BVerfG, Beschl. v. 14.06.2016 - 2 BvR 323/10
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz