Wann sind Zinsen, die sich aus einem Vermächtnisanspruch ergeben, als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern? Der BFH hat im Fall eines „Berliner Testaments“ entschieden, dass eine testamentarisch vorgesehene Verzinsung des Vermächtnisanspruchs zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften führen kann. Allerdings muss dann auch eine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinsen vorliegen.
Im Rahmen eines sogenannten „Berliner Testaments“ bestellen sich Ehe- oder Lebenspartner im Rahmen einer gemeinsamen Verfügung gegenseitig zum Alleinerben des jeweils anderen. Außerdem wird darin festgelegt, dass mit dem Tod des zuletzt Verstorbenen der Nachlass an einen Dritten fallen soll. Hierbei geht es darum, Abkömmlinge zunächst von der Erbfolge auszuschließen. Nach der gesetzlichen Erbfolge hätten diese nämlich bereits im Rahmen des Erbfalls des erstversterbenden Ehepartners einen Anspruch.
In dem vom BFH am 20.10.2015 entschiedenen Fall wurde im Rahmen eines Berliner Testaments ein Vermächtnis für den Sohn beim Tode des Erstversterbenden in Höhe des im Streitjahr 2001 geltenden Freibetrags zur Erbschaftsteuer ausgesetzt. Als betagtes Vermächtnis sollte dies jedoch erst fünf Jahre nach Eintritt des Erbfalls fällig werden. Das Vermächtnis sollte außerdem mit 5 % jährlich verzinst werden.
Gestaltung: Berliner Testament mit Freibetragsvermächtnis
Diese Gestaltung des Berliner Testaments mit Freibetragsvermächtnis sollte darauf abzielen, dem Vermächtnisnehmer in Höhe des erbschaftsteuerlichen Freibetrags – also ohne erbschaftssteuerliche Belastung – einen Geldbetrag zuzuwenden. Dieses Vermächtnis entsteht bereits mit dem Tod des Erstversterbenden. Der Erbe (d.h. der überlebende Ehepartner) kann den Betrag bereits zu diesem Zeitpunkt als Nachlassverbindlichkeit geltend machen. Auch liegt kein Nachvermächtnis nach § 6 Abs. 4 ErbStG zum Tod des Zweitversterbenden vor. Somit wird der Freibetrag nach § 16 ErbStG zwar genutzt, die tatsächliche Gewährung an den Dritten (hier: der Sohn) wurde in diesem Fall aber hinausgeschoben.
Beim Eintritt der Fälligkeit im Jahr 2006 forderte der Sohn das Vermächtnis nicht ein und verzichtete gegenüber der Mutter als Erbin schließlich im Folgejahr auf den Vermächtnisbetrag und auch auf die Zinsen. Das Finanzamt berücksichtigte die Zinsen jedoch für die Jahre ab 2001 als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Einkommensteuerbescheid 2006. Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg.
Befristetes und betagtes Vermächtnis
Der BFH weist darauf hin, dass der Erblasser die Möglichkeit hat, das Vermächtnis unter der Bestimmung eines Anfangstermins zuzuwenden (dann: befristetes Vermächtnis). Dann entsteht der Anspruch erst zum Eintritt des jeweiligen Termins. Er hat auch die Möglichkeit, lediglich die Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs zu einem späteren Termin zu bestimmen. Dann ist der Anspruch schon zum Zeitpunkt des Erbfalls entstanden (betagtes Vermächtnis).
Verzinsung des Anspruchs führt zu Einkünften aus Kapitalvermögen
Da das Vermächtnis erst fünf Jahre nach dem Erbfall fällig werden sollte, lag ein betagtes Vermächtnis vor. Die Zinsen auf den Vermächtnisanspruch führen grundsätzlich zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Es liegt insoweit eine durch die Bestimmung des Testaments veranlasste unfreiwillige Darlehensgewährung vor.
Fälligkeit der Zinsen führt nicht zu Zufluss
Lediglich die Fälligkeit der Zinsen führt jedoch noch nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen, da noch keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinsen erlangt wird. Auch ist die Situation des Vermächtnisnehmers nicht mit der eines beherrschenden Geschäftsführers einer GmbH zu vergleichen. Durch den Verzicht auf die Zinsen kann auch keine Novation oder Wiederanlage der Gelder fingiert werden – hierzu wäre eine weitere Vereinbarung zwischen dem Vermächtnisnehmer und der Erbin notwendig gewesen.
Praxishinweis
Durch einen Verzicht auf die Auszahlung der Zinsen aus einem Vermächtnisanspruch entstehen damit keine Einkünfte aus Kapitalvermögen. Allerdings gilt dies nur dann, wenn nicht zusätzlich eine Vereinbarung zur Stundung vorliegt. Werden die Zinsen jedoch ausgezahlt, liegen Einkünfte aus Kapitalvermögen vor. Dies ist dann einer der Fälle, in welchen im Kontext der Erbschaftsteuer auch noch eine einkommensteuerliche Belastung vorliegen kann. Die Alternative wäre ein Verzicht auf die Verzinsung.
BFH, Urt. v. 20.10.2015 – VIII R 40/13
Quelle: StB, Diplom-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann