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Außergewöhnliche Belastungen: BMF weist auf neue Berechnungsmethode hin

Nachdem der BFH bei den außergewöhnlichen Belastungen (agB) der Verwaltungspraxis widersprochen hatte, weist das BMF nun auf die damit geänderte Berechnung der zumutbaren Belastung hin: Diese ist demnach in drei Stufen zu ermitteln - mit einem regelmäßig günstigeren Ergebnis für die Steuerpflichtigen. Das BMF empfiehlt sogar Einspruch einzulegen, soweit die Finanzämter dies noch nicht umsetzen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits am 19.01.2017 entgegen der damals gängigen Verwaltungspraxis entschieden, dass die Ermittlung der zumutbaren Belastung in drei Stufen abhängig vom Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG zu ermitteln ist. Bislang wurde die zumutbare Belastung bei Überschreiten einer dieser Stufen anhand des Prozentsatzes der nächsthöheren Stufe berechnet. Dies führte insgesamt zu einer niedrigeren abzuziehenden zumutbaren Belastung von den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen und somit im Ergebnis zu einer niedrigeren Einkommensteuer.

Im Streitfall machte ein Ehepaar bei der Einkommensteuerklärung Krankheitskosten von ca. 4.100 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt ermittelte die Höhe der zumutbaren Belastungen unter Anwendung des höchstmöglichen Prozentsatzes von 4 % und erkannte lediglich ca. 2.100 € an. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren und anschließender Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg obsiegte das steuerpflichtige Ehepaar.

Der BFH passte die Berechnungslogik für außergewöhnliche Belastungen an und wies das Finanzamt zur Neuberechnung an. Dabei gab er zum einen vor, dass sich die zumutbaren Belastungen nicht ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richten, sondern nur der Teil der Einkünfte, der den im Gesetz geregelten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird. Zum anderen stellte der BFH fest, dass Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen nicht die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung kürzen.

Anpassung an die Rechtsprechung des BFH

In seiner Mitteilung vom 01.06.2017 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dieses BFH-Urteil herangezogen und dazu wie folgt grundlegend ausgeführt.

Außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 und 3 EStG liegen dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger zwangsläufig größere Aufwendungen zu tragen hat als die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands.

Die zumutbare Belastung wird dabei nach drei im Gesetz vorgegebenen Grenzen berechnet und nach einem festgelegten Prozentsatz abhängig von Familienstand und Kinderzahl bemessen. Bei einem Steuerpflichtigen mit einem oder zwei Kindern beträgt die zumutbare Belastung

  • 2 % bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von bis zu 15.340 €,
  • 3 % bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von über 15.340 € bis 51.130 € und
  • 4 % bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von über 51.130 €.

Ausgehend vom Gesamtbetrag der Einkünfte im Urteilsfall i.H.v. 51.835 € betrug die zumutbare Belastung nach der bisherigen Verwaltungsauffassung 4 % von 51.835 €, also 2.073 €. Nach der stufenweisen Berechnung beträgt die zumutbare Belastung in diesem Fall hingegen

  • 306,80 € auf der ersten Stufe bis 15.340 € (2 % von 15.340 €),
  • 1.073,70 € auf der zweiten Stufe von über 15.340 € bis 51.130 € (3 % von 35.790 € = 51.130 € – 15.340 €) und
  • 28,20 € auf der dritten Stufe über 51.130 € (4 % von 705 € = 51.835 € – 51.130 €).

Insgesamt sind nur noch zumutbare Belastungen i.H.v. 1.408,70 € zu kürzen und somit 664,70 € weniger als bei der bisherigen Verwaltungspraxis.

Praxishinweis

Nach Ansicht des BMF sollte die geänderte Berechnungslogik umgehend bei der Erstellung von Einkommensteuerbescheiden berücksichtigt werden. Sollte die geänderte Berechnungsweise vereinzelt nicht umgesetzt werden, so empfiehlt das BMF explizit, Einspruch einzulegen. Steuerpflichtige sollten berücksichtigen, dass die neue Berechnungsmethodik ebenfalls in allen offenen Bescheiden berücksichtigt werden sollte und somit höhere außergewöhnliche Belastungen angesetzt werden können. Darüber hinaus könnte sich die geänderte Berechnung nicht nur auf den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen als Krankheitskosten, sondern auch auf anderweitig entstandene außergewöhnliche Belastungen auswirken.

BMF, Mitteilung v. 01.06.2017 - Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Absatz 3 EStG; BFH-Urteil VI R 75/14 vom 19. Januar 2017

BFH, Urt. v. 19.01.2017 - VI R 75/14

Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper