Wann kann das Finanzamt von einer privaten Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs ausgehen? Der BFH hat bestimmt, wann hierfür ein Anscheinsbeweis vorliegt - und wann dieser erschüttert ist. Demnach darf ein Fahrtenbuch auch dann nicht einfach außer Acht gelassen werden, wenn es nicht ordnungsgemäß ist. Zudem ging es um die Streitfrage, wann Aufwendungen für Luxusfahrzeuge unangemessen sind.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 22.10.2024 (VIII R 12/21) entschieden, dass, auch wenn ein Fahrtenbuch als nicht ordnungsgemäß verworfen wird, es für die Prüfung, ob Fahrzeuge privat genutzt werden, herangezogen werden kann.
Dies gilt zumindest bei einem Sachverhalt, in dem es aufgrund weiterer vergleichbarer Pkws im Privatvermögen zumindest möglich erscheint, dass die betrieblichen Pkws nicht privat genutzt werden.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger erzielte als Prüfsachverständiger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
In den Streitjahren 2011 bis 2013 schloss er Leasingverträge für zwei Pkws ab: einen 7-er BMW und einen Lamborghini Aventador. Dieser für ein Geschäftsfahrzeug eher ungewöhnliche Sportwagen war mit Werbefolie versehen.
Die Leasingkosten für beide Fahrzeuge wurden vollständig als Betriebsausgaben geltend gemacht. Die Nutzung beider Pkws wurde mit handschriftlichen Fahrtenbüchern dokumentiert, wobei der Kläger außerdem noch zwei weitere Privatfahrzeuge besaß.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung beanstandete das Finanzamt (FA) die vollständige Berücksichtigung der Leasingkosten für den Lamborghini und kürzte diese gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG.
Das FA setzte außerdem private Nutzungsentnahmen für beide Fahrzeuge an, da die Fahrtenbücher als nicht ordnungsgemäß bewertet wurden. Der Kläger widersprach und argumentierte, die Fahrzeuge nicht privat genutzt zu haben, da er über gleichwertige Privatfahrzeuge verfüge.
Nach einem nur teilweise erfolgreichen Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) sah der BFH die Revision des Klägers als begründet an, hob das Urteil des FG auf und wies die Sache an das FG zurück.
Steuerliche Berücksichtigung einer privaten Fahrzeugnutzung
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Fahrzeugs, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer als Entnahme anzusetzen.
Diese Vorschrift ist auch auf zu mehr als 50 % betrieblich genutzte Fahrzeuge anzuwenden, die der Steuerpflichtige, ohne deren wirtschaftliches Eigentum erlangt zu haben, lediglich als Leasingnehmer nutzt.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Auffassung des BFH spricht zwar der erste Anschein dafür, dass die betrieblichen Fahrzeuge auch privat genutzt wurden. Dieser erste Anschein kann jedoch vom Steuerpflichtigen widerlegt werden.
Hierzu muss dieser nicht beweisen, dass keinerlei private Nutzung stattgefunden hat. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Steuerpflichtige einen alternativen Sachverhalt darlegt, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehens als das der allgemeinen Erfahrung entsprechende ergibt.
Der Kläger hatte Zugriff auf mehrere Fahrzeuge in seinem Privatvermögen. Diese Fahrzeuge im Privatvermögen unterscheiden sich nur unwesentlich von denen im Betriebsvermögen. Bei einer Gleichwertigkeit der Fahrzeuge besteht keine nachvollziehbare Veranlassung für Privatfahrten mit den Dienstfahrzeugen.
Diese Möglichkeit hatte das FG nicht ausreichend in Betracht gezogen und muss dies nun im zweiten Rechtsgang nachholen.
Praxishinweis
Das FG hatte im Streitfall die Kosten für den Lamborghini nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG drastisch gekürzt, da es die Höhe der Kosten für unangemessen hielt.
Maßgeblich für die Prüfung der Unangemessenheit von Aufwendungen sind nach dem BFH die Größe des Unternehmens, die Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns, die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben.
Die Berührung der privaten Lebensführung, die das FG für die Kürzung im ersten Rechtsgang noch angeführt hatte, reicht als Begründung für eine Kürzung nicht aus. Bei der erneuten Angemessenheitsprüfung hat es daher auch die Kosten-Nutzen-Relation zu berücksichtigen.
BFH, Urt. v. 22.10.2024 - VIII R 12/21