Welche Folgen hat der Verkauf von GmbH-Anteilen, wenn als Gegenleistung ein Aktienoptionsrecht eingeräumt wird, das später ausgeübt wird? Nach dem BFH gilt: Bei vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht wird der Veräußerungspreis nicht mehr beeinflusst, auch wenn sich der Gegenleistungswert nachträglich ändert. Der Rechtsgrund darf aber nicht schon im ursprünglichen Geschäft angelegt sein.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 04.02.2020 (IX R 7/18) dazu Stellung genommen, inwieweit die Ausübung eines Aktienoptionsrechts, das als Veräußerungspreis für Anteile an einer Kapitalgesellschaft gewährt wurde, zu einer nachträglichen Änderung des Veräußerungspreises führen kann.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die Eheleute E und F veräußerten ihre Beteiligungen an der C-GmbH und der P-GmbH an die S-GmbH, eine Tochtergesellschaft der X mit Sitz in den USA. Gleichzeitig schlossen E, die S-GmbH und die X einen Geschäftsführervertrag, mit dem die X dem E u.a. die Option auf Aktien an der X zu einem festen Preis einräumte.
E übte sein Optionsrecht im folgenden Jahr aus und realisierte einen Kursgewinn. E erklärte in seiner Einkommensteuererklärung einen Veräußerungsgewinn für die GmbH-Anteile, aber berücksichtigte dabei die Aktienoption nicht.
Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid des Folgejahres die Aktienoption bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des E als geldwerten Vorteil aus der Optionsausübung. Die Klage gegen diesen Einkommensteuerbescheid war erfolgreich.
Anschließend entstand Streit darüber, ob der Einkommensteuerbescheid des Vorjahres noch hinsichtlich der Einkünfte des E aus dem Veräußerungsgewinn der Anteile an den beiden GmbHs geändert werden könnte. Der BFH gab dem E Recht.
Zeitpunkt der Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG
Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das maßgebliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist. Auf den Zufluss des Entgelts kommt es grundsätzlich nicht an.
Das schließt die Bewertung einer Sachleistung am Tag des Eigentumsübergangs ein, denn vorher hat der Veräußerer tatsächlich nichts erhalten. Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises grundsätzlich nicht mehr. Anders ist dies nur, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war.
Folglich kann ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung u.a. anzunehmen sein, wenn die nachträgliche Veränderung des zunächst geschuldeten Kaufpreises auf einem Mangel beruht, der dem Veräußerungsvorgang selbst anhaftet, wie z.B. einer Leistungsstörung.
Der erforderliche Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang kann zudem auch dann vorliegen, wenn die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Übertragung einer Beteiligung keine abschließende Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt haben und dieser erst nachträglich (z.B. im Rahmen eines Vergleichs) klargestellt wird oder die endgültige Höhe des Kaufpreises (teilweise) von der künftigen Gewinnentwicklung des Unternehmens abhängig sein soll.
Hat der Erwerber seine Gegenleistungspflicht demgegenüber noch nicht erbracht, sind sämtliche Änderungen zwischen der Begründung der Forderung auf die Gegenleistung und deren Erfüllung bei der Ermittlung des Veräußerungspreises zu berücksichtigen; auf die Ursache der Störung kommt es dann nicht an.
Ist die nach Erfüllung des Erwerbsgeschäfts geleistete Zahlung jedoch Gegenstand eines selbständigen Rechtsgeschäfts, das nicht in sachlichem Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung steht, wirkt diese nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurück. Denn dann stellt das „neue“ Rechtsgeschäft einen eigenen Rechtsgrund für die Leistung mit eigener wirtschaftlicher und ggf. steuerlich relevanter Bedeutung dar.
Keine Rückwirkung im Besprechungsfall
Vor diesem Hintergrund wirken weder die Optionsrechtsausübung noch die Einbuchung der Aktien in das Bankdepot des E auf den Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligungen zurück. Die Wertsteigerung der X-Aktien nach Einräumung der Aktienoption erhöht nicht den im Streitjahr zwischen E und der S-GmbH vereinbarten Veräußerungspreis und ist damit auch nicht beim Veräußerungsgewinn des E im Streitjahr zu erfassen.
Allerdings ist die spätere (zusätzliche) Leistung nicht im ursprünglichen Vertrag angelegt. Das war bereits aus rechtlichen Gründen nicht der Fall. Es genügt nicht jede nachträgliche Wertveränderung am Gegenstand der Gegenleistung, wie sie insbesondere bei Sachleistungsverpflichtungen niemals ganz ausgeschlossen werden kann.
Im Grundsatz geht nämlich mit vollständiger Erfüllung der Gegenleistungsverpflichtung auch die Gefahr einer nachträglichen Wertveränderung auf den Empfänger der Leistung über. Nachträgliche Wertveränderungen sind daher weder Teil der geschuldeten Gegenleistung noch modifizieren sie die bereits erfüllte Gegenleistungspflicht.
Anders ist dies, wenn der Veräußerungsvorgang selbst mit einem Mangel behaftet ist (z.B. zivilrechtlich beachtliche Leistungsstörung), der zur Minderung, Erhöhung oder erstmaligen Fixierung der Gegenleistung oder zur gänzlichen Rückabwicklung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses führt. Die S-GmbH als Erwerberin der Beteiligungen hatte ihre Gegenleistungspflicht mit der Einräumung des Optionsrechts durch X bereits zum Ende des Streitjahres vertragsgemäß erfüllt.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine bisherigen Grundsätze zur Rückwirkung einer nachträglichen Kaufpreisänderung bestätigt und gleichzeitig auf die Ausübung einer Aktienoption übertragen:
- Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises grundsätzlich nicht mehr. Anders ist dies nur, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war.
- Der Rechtsgrund für die spätere Änderung ist im ursprünglichen Rechtsgeschäft u.a. dann angelegt, wenn diese auf einem Mangel beruht, der dem Veräußerungsvorgang selbst anhaftet.
- Eine nachträgliche Leistung, die Gegenstand eines selbständigen Rechtsgeschäfts ist, das nicht in sachlichem Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung steht, wirkt nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurück.
- Ist die Gegenleistungspflicht mit Einräumung eines Aktienoptionsrechts bereits vollständig erfüllt, ist deren spätere Ausübung regelmäßig nicht mehr im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt und wirkt dann auch nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück.
BFH, Urt. v. 04.02.2020 - IX R 7/18
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht