Welche Steuerfolgen ergeben sich aus der Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen? Wann liegt ein steuerbarer Erstattungsüberhang vor? Nach dem BFH sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die erstattet worden sind, auch dann mit den Aufwendungen zu verrechnen und Einkünften hinzuzurechnen, wenn ein Sozialversicherungsverhältnis rückabgewickelt oder rückwirkend umgestellt wurde.
Mit Urteil vom 22.03.2023 (X R 27/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass erstattete Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit entsprechenden Aufwendungen zu verrechnen und ggf. auch dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen sind, wenn die Erstattung auf der Beendigung oder Rückabwicklung eines Sozialversicherungsverhältnisses beruht.
Sachlage im Streitfall
Die Kläger sind ein Ehepaar, welches zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird. Der Ehemann war Empfänger von Versorgungsbezügen, die Ehefrau bezog zudem eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Sie erhielt eine Erstattung von Beiträgen zur Basiskrankenversicherung und zur Basispflegeversicherung für die Jahre 2003 bis 2016.
Der Erstattung war ein sozialgerichtliches Verfahren vorausgegangen, in dessen Rahmen festgestellt wurde, dass die Klägerin für den genannten Zeitraum zu Unrecht zur freiwilligen Krankenversicherung herangezogen worden war.
Die Kläger setzten die Rückzahlung der Beiträge nicht als Erstattung i.S.d. § 10 Abs. 4b EStG an, da es sich nach ihrer Auffassung nicht um einen typischen Erstattungsfall gemäß dieser Vorschrift handelte.
Das Finanzamt (FA) setzte die Beiträge hingegen als erstattete Aufwendungen an und verrechnete diese mit den weiteren Vorsorgeaufwendungen. Den nach der Verrechnung überschüssigen Betrag addierte das FA zu den Einkünften der Kläger hinzu.
Das Einspruchsverfahren sowie die Klage vor dem Finanzgericht blieben ohne Erfolg. Auch der BFH sah die Revision der Kläger als unbegründet an und wies sie daher zurück.
Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für mehrere Jahre
Nach § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG ist, soweit die erstatteten Aufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung die geleisteten Aufwendungen übersteigen, dieser Erstattungsüberhang mit den im jeweiligen Veranlagungszeitraum geleisteten Aufwendungen zu verrechnen.
Ein verbleibender Betrag des nach der Verrechnung mit den Aufwendungen sich ergebenden Erstattungsüberhangs ist dann gem. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.
Als erstattete Beträge gelten dabei grundsätzlich alle Zahlungen, die der Steuerpflichtige als Rückfluss von Aufwendungen erhält, und die er im Zusammenhang mit den dort jeweils genannten Sonderausgaben getätigt hat. Der Hintergrund der Rückzahlung ist unerheblich.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Auffassung des BFH sind die im vorliegenden Fall zurückgezahlten Aufwendungen vom FA korrekt berücksichtigt worden.
Da für eine Verrechnung von erstatteten Vorsorgeaufwendungen der entsprechende Hintergrund unerheblich ist, sind auch bei der rückwirkenden Abwicklung eines Sozialversicherungsverhältnisses die Beiträge nach § 10 Abs. 4b EStG entsprechend zu behandeln.
Der BFH hatte bezüglich dieser Regelung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Praxishinweis
Eine Ausnahme vom Grundsatz der Hinzurechnung von erstatteten Vorsorgeaufwendungen besteht allein bei der Erstattung von Beiträgen der deutschen Rentenversicherung i.S.d. § 210 SGB VI, da diese zu sonstigen Einkünften gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG führen und gem. § 3 Nr. 3 EStG steuerfrei sind.
BFH, Urt. v. 22.03.2023 - X R 27/21