Nachdem das BMF Ende August einen Referentenentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens veröffentlicht hatte, liegt nun der Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vor. Neben einem verstärkten Einsatz moderner Informationstechnologie sieht das Gesetzespaket u.a. die Neufassung des Amtsermittlungsgrundsatzes, geänderte Belegpflichten und neue Fristenregelungen bei Steuererklärungen vor.
Vom Bundeskabinett wurde am 09.12.2015 der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens beschlossen. Dieses soll der Verfahrensmodernisierung dienen und die Grundlagen für die geänderten Rahmenbedingungen – insbesondere durch die Entwicklungen der Informationstechnologie – schaffen.
Die Neuerungen umfassen drei Hauptfelder: Steigerung der Effizienz der Finanzbehörden durch den Einsatz von Informationstechnologie, die Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch höhere Nutzerfreundlichkeit sowie die Neugestaltung der rechtlichen Grundlagen in der AO im Hinblick auf die informationstechnischen Veränderungen. Eine Verabschiedung des Entwurfs durch Bundestag und Bundesrat ist im ersten Halbjahr 2016 geplant, das Gesetz soll zum 01.01.2017 in Kraft treten.
Neufassung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 88 AO
Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichmäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit sollen Bestandteil des Gesetzestextes werden. Außerdem soll festgeschrieben werden, dass sich die Art und der Umfang der Ermittlungen auch an Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten sowie allgemeinen Erfahrungswerten der Finanzbehörden orientieren sollen.
Automatisiertes Besteuerungsverfahren
Durch ein verstärktes automatisiertes Risikomanagement sollen einfache Steuerfälle bis hin zur Bescheidung vollständig automatisiert bearbeitet werden. Dies soll Ressourcen frei werden lassen, um mehr Kapazität für die Bearbeitung schwierigerer Fälle zu haben. Hierzu sollen in den §§ 88 Abs. 5, 155 Abs. 4 AO-Entwurf die rechtlichen Voraussetzungen für eine vollständige automatische Bearbeitung geschaffen werden.
Elektronische Bekanntgabe von Steuerbescheiden
Im Zuge eines weiteren Ausbaus des ELSTER-Verfahrens ist geplant, dass Steuerbescheide mit Zustimmung des Steuerpflichtigen zum elektronischen Abruf bereitgestellt werden. Dies soll dann die bisherige rechtskräftige Bekanntgabe in Papierform ersetzen (§ 122 Abs. 2b AO-Entwurf). Für elektronische Steuerbescheide gilt die bindende Bekanntgabe am dritten Tag nach Absendung der Benachrichtigung. Dieses Verfahren soll auf Verwaltungsakte anzuwenden sein, die nach dem 31.12.2016 erlassen worden sind. Es soll darüber hinaus auch die Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen und Einspruchsentscheidungen umfassen.
Neue Fristenregelung für die Abgabe von Steuererklärungen
Bei Erstellung der Steuererklärung durch Angehörige der steuerberatenden Berufe soll diese nun gesetzlich festgeschrieben einheitlich spätestens bis zum 28.02. des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres (Zweitfolgejahr) abzugeben sein. Fristverlängerungen über den 28.02. des Zeitfolgejahres hinaus sollen nur noch möglich sein, wenn der Steuerpflichtige die Frist ohne Verschulden versäumt hat. Auch weiterhin soll die Finanzbehörde Steuererklärungen früher anfordern können, hierzu wurden im Gesetzesentwurf die gesetzlichen Voraussetzungen weiter präzisiert (§ 149 AO-Entwurf).
Belegvorlagepflicht wird Belegvorhaltepflicht
Nach dem Entwurf soll der Steuerpflichtige nicht mehr zur Vorlage von Belegen im Rahmen der Abgabe der Steuererklärung verpflichtet sein; für entsprechende Nachweise soll zunächst lediglich eine Vorhaltepflicht innerhalb der gesetzlichen Fristen bestehen. Bei Spendenbescheinigungen kann sogar auf das Vorhalten ganz verzichtet werden. Hierzu soll ein neues elektronisches Verfahren geschaffen werden, bei welchen der Zuwendungsempfänger die notwendigen Informationen direkt ans Finanzamt meldet. Die Neuregelung soll erstmals bei Zufluss von Zuwendungen nach dem 31.12.2016 anzuwenden sein.
Konkretisierungen beim Verspätungszuschlag
Ein Verspätungszuschlag soll künftig automatisch festgesetzt werden, wenn die Steuererklärung nicht zum 28.02. des Zweitfolgejahres abgegeben wurde. Selbiges soll gelten, wenn die in einer Vorabanforderung gesetzte Frist nicht eingehalten wurde. Die Höhe des Verspätungszuschlags ist im Entwurf gesetzlich präzisiert: Bei den jährlichen oder sich auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezogenen Steuererklärungen (z.B. Einkommensteuererklärung) soll er für jeden angefangenen Monat der Verspätung 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 50 € pro Monat betragen. Für Steueranmeldungen (z.B. Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Lohnsteuer-Anmeldungen) soll der Verspätungszuschlag weiterhin unter Berücksichtigung der Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung festgesetzt werden (§ 152 Abs. 6 AO-Entwurf). Pro Steuererklärung darf der Verspätungszuschlag höchstens 25.000 € betragen.
Neue Änderungsmöglichkeit bei offenbarer Unrichtigkeit
Neben dem bestehenden § 129 AO, mit dem Schreib- und Rechenfehler des Finanzamts bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist geändert werden können, ist nun auch eine Änderungsnorm für Schreib- und Rechenfehler des Steuerpflichtigen vorgesehen. Die Regelung soll auf Verwaltungsakte Anwendung finden, die nach dem 31.12.2016 erlassen werden.
Praxishinweis
Die Neuregelungen des Gesetzesentwurfs sind gemischt zu bewerten: Einerseits bieten die geplanten Möglichkeiten der elektronischen Bekanntgabe von Bescheiden Chancen zur Vereinfachung der Arbeitsabläufe, wenn die technischen Voraussetzungen vorhanden sind. Auf der anderen Seite könnte die Erweiterung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Hinblick auf den Rückgriff des Finanzamts auf seine „allgemeinen Erfahrungswerte“ Argumentationen der Behörde in Streitfällen stärken. Unklar ist auch, welche Möglichkeiten der Steuerpflichtige hat, entsprechende Argumente zu überprüfen. Die Neuerungen im Bereich der Fristverlängerungen können im Einzelfall durchaus verschärfend wirken, ebenso die Neuregelung beim Verspätungszuschlag.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 09.12.2015
Quelle: StB, Dipl.-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann
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