Das BMF hat das Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer nochmals überarbeitet und neu veröffentlicht. Auf 120 Seiten erstrecken sich dabei die Verwaltungsvorgaben zu Einzelfragen der Besteuerung von Kapitalerträgen. Neben redaktionellen Klarstellungen enthält das aktualisierte BMF-Schreiben auch einige konkrete Änderungen - so wurde u.a. die zurückliegende Rechtsprechung des BFH eingearbeitet.
Das BMF hat am 18.01.2016 eine neue Fassung des Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer bekanntgegeben. Das ursprüngliche BMF-Schreiben zur Einführung der Abgeltungsteuer vom 22.12.2009 war bereits durch die Schreiben vom 16.11.2010 und vom 09.10.2012 aktualisiert worden. Das neue Schreiben enthält sowohl redaktionelle Anpassungen als auch neue Randnummern, insbesondere zur Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung.
Im Folgenden werden einige der wesentlichen Änderungen dargestellt:
Besteuerung von Stückzinsen
Von einem Veräußerer einer Kapitalforderung besonders in Rechnung gestellte und vereinnahmte Stückzinsen unterliegen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG auch dann der Besteuerung, wenn die zugrundeliegenden Wertpapiere vor dem 01.01.2009 (also dem Einführungstermin der Abgeltungsteuer) angeschafft wurden (vgl. Rdnr. 50). Dies wurde in den Anwendungsregelungen in § 52 Abs. 28 EStG geregelt.
Behandlung von Goldzertifikaten
Nach bisheriger Ansicht der Finanzverwaltung wurden Einkünfte aus Goldzertifikaten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gezählt, auch wenn die Zertifikate durch physisches Gold gedeckt waren. Der BFH hatte jedoch in zwei Urteilen vom 12.05.2015 entschieden, dass es sich bei entsprechenden Zertifikaten nicht um Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern um einen Sachleistungsanspruch handelt. Das BMF hat nun in Rdnr. 57 diese Rechtsprechung berücksichtigt.
Teilweise Kapitalrückzahlungen
Schon vormals vertrat die Finanzverwaltung die restriktive Linie, dass ein Forderungsausfall im Rahmen einer Finanzanlage nicht im Rahmen der negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden darf. In der neuen Rdnr. 60a wird nun von der Finanzverwaltung erläutert, dass Teilauszahlungen im Rahmen eines Insolvenzplans nicht als Verluste anerkannt werden, wenn die Auszahlung unter dem Nennwert der Kapitalforderung liegt. Der nicht zurückgezahlte Teil des Nennwerts wird als Forderungsausfall betrachtet und ist somit einkommensteuerrechtlich unbeachtlich.
Negative Einlagezinsen
In der derzeitigen Niedrigzinsphase kann es vorkommen, dass Kreditinstitute negative Zinsen auf Einlagen verlangen – man zahlt also dafür, Geld auf der Bank zu haben. Die Finanzverwaltung betrachtet negative Einlagezinsen jedoch nicht als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern als eine Art der Verwahr- oder Einlagegebühr. Diese Ansicht wurde bereits im BMF-Schreiben vom 27.05.2015 niedergelegt und nun in Rdnr. 129a übernommen. Negative Einlagezinsen sind als Ausgaben bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu betrachten. Im privaten Bereich steht der Geltendmachung als Werbungskosten das Abzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG entgegen. Im betrieblichen Bereich können negative Einlagezinsen als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Weitere Änderungen
Bei Rdnr. 136 wurde bei der Definition der nahestehenden Person nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b EStG ein erläuterndes Beispiel angefügt. Bei der Option zur tariflichen Besteuerung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG wurde die neue BFH-Rechtsprechung berücksichtigt, wonach es im Rahmen der beruflichen Tätigkeit für die Gesellschaft nicht darauf ankommt, ob diese von untergeordneter Bedeutung ist. Daneben enthält das Schreiben noch einige neue Erläuterungen, die insbesondere für den Kapitalertragsteuerabzug von Banken von Bedeutung sind.
Praxishinweis
Beim Handel mit Goldzertifikaten wird es nicht beanstandet, wenn die entsprechend geänderte Verwaltungsauffassung erst ab dem 01.01.2016 angewendet wird. Für die Praxis bedeutet dies, dass insbesondere Verluste aus Goldzertifikaten aus dem Jahr 2015 noch im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden können.
Insbesondere bei der Verwaltungsauffassung zur Besteuerung von Stückzinsen bei der Veräußerung von Wertpapieren sollten Sie betreffende Fälle offenhalten: Ob es sich bei der Anwendungsregelung lediglich um eine gesetzliche Klarstellung handelt oder um eine (ggf. unzulässige) Rückwirkung, ist derzeit Gegenstand eines beim BFH anhängigen Revisionsverfahrens (Az. BFH: VIII R 22/15).
BMF, Schreiben v. 18.01.2016 - IV C 1 - S-2252/08/10004
BFH, Urt. v. 12.05.2015 – VIII R 35/14
BFH, Urt. v. 12.05.2015 – VIII R 4/15
BMF, Schreiben v. 27.05.2015 - IV C 1 - S-2210/15/10001, außer Kraft
Quelle: StB, Dipl.-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann