Der BFH hat ein Urteil zur sog. „Abfärbewirkung“ gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gefällt. Die obersten Finanzrichter entschieden im Fall einer Anwalts-GbR, dass geringfügige gewerbliche Tätigkeiten die (hauptsächlichen) freiberuflichen Einkünfte erst bei einem Anteil von über 3 % des Gesamtnettoumsatzes bzw. von über 24.500 € zu gewerbesteuerpflichtigen Einnahmen umqualifizieren.
Eine aus sieben Anwälten bestehende Rechtsanwalts-GbR war auch auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung tätig. In den Streitjahren 2003 und 2004 waren zusätzlich drei Rechtsanwälte (X, Y, Z) angestellt, von denen Y jährlich 25 bzw. 38 Mal zum Insolvenzverwalter/Treuhänder bestellt wurde. X und Z bereiteten Klagen für den Forderungseinzug vor und nahmen Gerichtstermine wahr.
Das FA hob aufgrund einer Außenprüfung die erklärten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit auf und veranlagte sie als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Das hatte die Gewerbesteuerpflicht der gesamten Rechtsanwaltstätigkeit zur Folge. Die abschlägige Einspruchsentscheidung wurde vom FG wieder aufgehoben, jedoch wurde die vom FA eingelegte Revision vom BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Rechtsauffassung des BFH
Nach Auffassung des VIII. Senats entfaltet eine Personengesellschaft nur dann eine Tätigkeit nach § 18 EStG, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen und das Handeln der Gesellschaft kein Element einer gewerblichen Tätigkeit enthält.
Es ist zwar unschädlich, wenn die Personengesellschaft neben ihrer freiberuflichen Tätigkeit auch eine sonstige selbstständige Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt (sog. interprofessionelle Mitunternehmerschaft). Es dürfen sogar weitere fachlich vorgebildete Arbeitskräfte in diesem Bereichen hinzugezogen werden; die Gesellschafter selbst müssen aber aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3EStG).
Verteilung aller Aufträge der Personengesellschaft auf alle Berufsträger
Derartige Eigenverantwortlichkeiten der Gesellschafter setzen voraus, dass jeder von ihnen in allen Unternehmensbereichen leitend tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Teamarbeit ist unschädlich, wenn sich jeder Gesellschafter kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation an dieser beteiligt. Alle Gesellschafter müssen an allen der Personengesellschaft erteilten Aufträgen in der Weise mitwirken, dass sie als Berufsträger alle Aufträge untereinander aufteilen und jeder den zugewiesenen Aufgabenbereich aufgrund seiner Sachkenntnis eigenverantwortlich leitet.
Tätigkeiten ohne Eigenverantwortlichkeit färben auf das Berufsträgerbild ab
Werden die Gesellschafter neben ihrer Berufsträgertätigkeit auch gewerblich (d,h. ohne Eigenverantwortlichkeit) tätig, ist ihre Tätigkeit insgesamt als gewerblich zu qualifizieren.
Leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit eines Berufsträgers
Eigenverantwortlich und leitend ist eine Berufsausübung nur dann, wenn sie über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist. Darüber hinaus muss die praktische Arbeit des Berufsträgers in ausreichendem Maße gewährleistet sein. Die Arbeitsleistung eines jeden Gesellschafters muss den erforderlichen „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen tragen.
„Ob“ und „Wie“
Im Einzelnen sind diese den Stempel der Persönlichkeit tragenden Voraussetzungen anhand des Kernbereichs der jeweiligen Tätigkeit zu überprüfen. Für den vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob derjenige, dem das Insolvenzgericht nach § 56 InsO das Amt des Insolvenzverwalters übertragen hat, auch diese Kernentscheidungen persönlich getroffen hat.
Bemerkenswert sind hier die Anmerkungen des VIII. Senats zum „Wie“ der Ausführung. Danach bleibt die Tätigkeit eine solche nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, selbst wenn das „Wie“, nämlich die kaufmännisch-technische Umsetzung der Entscheidungen, auf Dritte übertragen wurde.
Für die Rechtsanwalts-GbR konnten diese steuerlichen Feststellungen anhand des Berichts, den ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter an das Insolvenzgericht abgeben muss, zweifelsfrei getroffen werden. Hier hatte nämlich das Insolvenzgericht die zentralen Aufgaben an den angestellten Rechtsanwalt Y übertragen, der auch die persönlichen Entscheidungen traf („Ob“).
Der Umkehrschluss, dass derjenige, der das Weisungsrecht gegenüber seinem angestellten Rechtsanwalt hat, dadurch zum fachlichen und persönlichen Entscheidungsträger der Insolvenzverwaltung wird und somit auch den Stempel seiner Persönlichkeit „aufdrückt“, kann nicht gezogen werden. Somit ist kein Gesellschafter der Entscheidungsträger dieser Insolvenzangelegenheiten, d.h. diese Tätigkeit bleibt gewerblich.
Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG mit Bagatellgrenze
Eine gewerbliche Tätigkeit kann grundsätzlich unabhängig davon, ob sie nur geringfügig ist, die gesamten Einkünfte zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifizieren. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es aber, in den Fällen, in denen die originäre gewerbliche Tätigkeit klar von der freiberuflichen getrennt werden kann und lediglich geringfügig ist, von der umqualifizierenden Wirkung abzusehen.
Geringfügig ist die Tätigkeit, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 % der Gesamtumsätze der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen. Dabei orientiert sich die absolute Grenze an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser klaren Bagatellgrenze einen Beitrag zur Rechtssicherheit geleistet. Dies ist ein mutiger Schritt des VIII. Senats, um den er sich in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit immer herumgedrückt hatte. Von nun an können sich die Bezieher beider Einkunftsarten entsprechend darauf einstellen und ungewollte Abfärbungen vermeiden, indem sie etwa den originär gewerblichen Bereich von Anfang an ausgliedern.
BFH, Urt. v. 27.08.2014 - VIII R 6/12
Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann