Wenn Freiberufler Mitarbeiter beschäftigen, die einen wesentlichen Teil der Arbeitsleistung erbringen, kann das problematisch für die Qualifizierung der Einkünfte sein. Der Freiberufler muss die Arbeitsleistung individuell und höchstpersönlich prägen - sonst liegen gewerbliche Einkünfte vor. Nach dem Finanzgericht Sachsen reichen für diese Prägung stichprobenartige Überprüfungen nicht aus.
Das Finanzgericht Sachsen entschied in einem beim BFH anhängigen Verfahren (Az. III R 7/16), dass keine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG mehr vorliegt, wenn die Arbeitnehmer des Freiberuflers einen Großteil der Arbeiten übernehmen, so dass der Freiberufler nicht mehr selbst eigenverantwortlich tätig ist.
Im beim BFH anhängigen Fall führte eine von zwei Prüfingenieuren geleitete Gesellschaft Hauptuntersuchungen für Kraftfahrzeuge durch. Dabei führten angestellte Prüfingenieure ca. 6/7 der gesamten Prüfungen des Veranlagungszeitraums durch, ohne dass die Gesellschafter direkt einbezogen waren. Dies führte nach Ansicht des Finanzamts zum Verlust der für die Wertung als freiberufliche Tätigkeit notwendigen Eigenverantwortlichkeit der Gesellschafter. Daher qualifizierte das Finanzamt die Einkünfte der Gesellschafter als gewerblich und unterwarf diese der Gewerbesteuer. Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamtes und lies die Revision zu, da zu einer solchen Konstellation keine vergleichbaren BFH-Entscheidungen vorliegen.
Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit
Grundsätzlich können sich Freiberufler nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei ihrer Tätigkeit der Mithilfe von fachlich vorgebildeten Arbeitskräften bedienen – dabei muss der Freiberufler jedoch aufgrund seiner eigenen fachlichen Kenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine solche eigenverantwortliche Funktion des Freiberuflers dann vor, wenn er aufgrund regelmäßiger und eingehender Kontrollen maßgeblich auf die Tätigkeit des Fachpersonals Einfluss nehmen kann, das heißt die Arbeitsleistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt.
Stichprobenartige Überprüfung reicht nicht aus
Im vorliegenden Fall nahmen die angestellten Ingenieure ihre Tätigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben wahr, so dass die Gesellschafter die Arbeitsleistung nicht prägen konnten. Nach Auffassung des Finanzgerichts Sachsen sind aufgrund der strengen gesetzlichen Vorgaben für die Untersuchung von Kraftfahrzeugen daher die Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dabei sind insbesondere die organisatorischen Gegebenheiten zu bewerten: Für die steuerliche Qualifikation als Freiberufler ist nach der Rechtsprechung des BFH erforderlich, dass ein wesentlicher Teil der Arbeit durch den Freiberufler geprägt wird. Eine rein stichprobenartige Überprüfung, wie es bei der Ingenieursgesellschaft gehandhabt wurde, reicht dabei nicht aus.
Einfluss eines Arztes auf die Behandlung reicht aus
Im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit eines Arztes entschied der BFH, dass für die eigenverantwortliche und leitende Tätigkeit des Freiberuflers bei angestellten Ärzten eine regelmäßige und eingehende Kontrolle ausreichend ist, solange der Freiberufler maßgeblich auf die Tätigkeit des angestellten Fachpersonals Einfluss nimmt. Diesen nimmt der BFH an, wenn der Freiberufler die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten selbst durchführt und für den Einzelfall die Behandlungsmethode festlegt. Dabei kann er sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten.
Praxishinweis
Im Rahmen der Beurteilung der Eigenverantwortlichkeit von Freiberuflern und der damit einhergehenden Qualifikation im Rahmen von § 18 EStG sollten Steuerpflichtige bei ihrer Tätigkeit darauf achten, aktiv ihr angestelltes Fachpersonal zu führen und der Arbeitsleistung den eigenen Stempel aufzudrücken. Stichprobenartige Kontrollen sind dabei nicht ausreichend. Es sollte vielmehr sichergestellt werden, dass der Freiberufler der Arbeitsleistung eine eigene, belegbare Prägung mitgibt. Nach den Ausführungen des Finanzgerichts Sachsen könnte dieses zum Beispiel im Fall eines Prüfingenieurs in der Freigabe der Prüfprotokolle durch Unterschrift vorliegen. Im Fall eines Arztes müsste eine patientenbezogene Einflussnahme erfolgen.
Steuerpflichtige sollten in ähnlich gelagerten Fällen gegen noch offene Bescheide Einspruch einlegen und bis zur Entscheidung des BFH das Ruhen des Verfahrens beantragen.
FG Sachsen, Urt. v. 24.02.2016 - 2 K 1479/15
BFH, Urt. v. 16.07.2014 - VIII R 41/12
Quelle: Dipl.-Volkswirt Volker Küpper