Wann liegen bei einer Personengesellschaft freiberufliche und wann gewerbliche Einkünfte vor? Im Fall einer Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hat der BFH strenge Vorgaben für eine Mitunternehmerstellung einer mitarbeitenden Ärztin gemacht. Damit führen die BFH-Richter ihre verschärfte Rechtsprechung weiter fort und grenzen die Anwendung des § 18 EStG ein.
Der Sachverhalt der Besprechungsentscheidungen – eine erging zur Gewerbesteuer und die andere zur Verfahrensfrage der Feststellungsbescheide – ist so simpel wie vermutlich weit verbreitet: Eine GbR aus zwei Ärzten nahm eine dritte Ärztin auf, die mitarbeiten sollte und eine von ihrem eigenen Umsatz abhängige Vergütung erhielt. Nach außen trat die dritte Ärztin als Gesellschafterin auf, trug jedoch nur ein begrenztes Haftungsrisiko und war nicht an den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt.
Im Innenverhältnis war vereinbart, dass die Geschäftsführung gemeinschaftlich ausgeübt werden sollte. Zudem war eine Option zur Aufnahme als vollwertige Gesellschafterin vereinbart worden, die jedoch nicht wahrgenommen wurde. Das Finanzamt, das Finanzgericht und auch der BFH stuften die Ärztin nicht als Mitunternehmerin ein und versagten daraufhin die Einordnung als freiberufliche Einkünfte.
Keine Mitunternehmerstellung der Ärztin
Mitunternehmer ist, wer Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko trägt. Diese Kriterien gelten einheitlich für eine freiberufliche und eine gewerbliche Mitunternehmerschaft. Mitunternehmerrisiko bedeutet dabei gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko besteht regelmäßig in der Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts. Zudem muss grundsätzlich die Beteiligung aller Gesellschafter am laufenden Gewinn vorliegen. Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Einlage – wie bei einem Kommanditisten – ist unschädlich.
Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Dafür ausreichend ist bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die z.B. den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB bzw. denjenigen eines Kommanditisten entsprechen. Beide Kriterien müssen nicht gleich ausgeprägt vorliegen, allerdings muss bei einem weniger stark ausgeprägten Merkmal das andere entsprechend stärker vorhanden sein. Dies ist immer eine Frage der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
Vor diesem Hintergrund war die Ärztin für den BFH keine Mitunternehmerin. Sie hatte nicht an den stillen Reserven teil und trug damit praktisch kein Mitunternehmerrisiko. Dies allein wäre noch nicht schädlich gewesen, jedoch ging der BFH auch davon aus, dass bei der Ärztin keine erforderliche gesteigerte Mitunternehmerinitiative bestand. Dafür reichte das bloße Recht, die Geschäftsführung der GbR gemeinschaftlich mit den beiden anderen Ärzten auszuüben, nicht aus. Denn von dieser gemeinsamen Geschäftsführung waren wesentliche Bereiche vertraglich ausgenommen: Insbesondere galt dies für Neuinvestitionen, die nicht im Namen der GbR, sondern im Namen der beiden anderen Ärzte getätigt wurden.
Zudem hatte die Ärztin keine Verfügung über die Konten der Praxis. Auch wenn nach Ansicht des BFH die von der Ärztin erbrachten Dienstleistungen für die GbR von wirtschaftlicher Bedeutung waren und sie ein (begrenztes) Haftungsrisiko trug, hatte sie aufgrund ihrer vertraglichen Befugnisse nicht die Möglichkeit, wie ein Unternehmer das Schicksal der GbR maßgeblich zu beeinflussen – und damit ist sie auch keine Mitunternehmerin.
Keine freiberuflichen Einkünfte mangels Überwachung der Ärztin
Die fehlende Mitunternehmerstellung alleine hätte die Qualifikation als freiberufliche Einkünfte der GbR nicht versagt, wenn die beiden Ärzte aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig geworden wären. Für die beiden Ärzte hätte dies bedeutet, dass sie eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schulden und deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen müssen. Da die Ärztin aber unstreitig ihre Patienten eigenverantwortlich behandelte, fand keine Überwachung oder persönliche Mitwirkung bei den Patientenbehandlungen der Ärztin durch einen der beiden Gesellschafter-Ärzte statt.
Weil die beiden Ärzte damit nicht in vollem Umfang freiberuflich tätig sowie die Einkünfte, die aus der Tätigkeit der Ärztin auf der Ebene der GbR erzielt wurden, nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung waren, wurden deren Einkünfte in gewerbliche umqualifiziert (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Folglich waren die Einkünfte zudem der Gewerbesteuer zu unterwerfen.
Praxishinweis
Der BFH führt mit diesen beiden Urteilen konsequent seine Linie zu den freiberuflichen Einkünften fort: Kürzlich hatte er die Einkünfte eines angestellten Insolvenzverwalters als schädlich eingestuft, weil diesem sein Amt höchstpersönlich verliehen wird und damit der Weisungsbefugnis der Gesellschafter entzogen ist. Nun hat er die freiberufliche Tätigkeit einer mitarbeitenden Ärztin als schädlich eingestuft. Der BFH engt damit den Anwendungsbereich des § 18 EStG bedenklich ein.
Das Gericht sollte bei seinen Entscheidungen berücksichtigen, dass angestellte Freiberufler wegen der standesrechtlichen Vorgaben jeweils einer gewissen Eigenständigkeit unterliegen müssen, um ihre jeweilige Zulassung zu bekommen. Im Sinne der Einheitlichkeit des Rechts sollte der BFH seinen eingeschlagenen Weg überdenken. Denn in der Konsequenz führt diese Rechtsprechung wohl dazu, dass jeder angestellte Freiberufler automatisch bei einer Personengesellschaft aus Freiberuflern als Arbeitgeber gewerbliche Einkünfte erzielt. Das hat der Gesetzgeber wohl kaum gewollt.
BFH, Urt. v. 03.11.2015 - VIII R 62/13
BFH, Urt. v. 03.11.2015 - VIII R 63/13
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz