Das FG Niedersachsen hat entschieden, dass eine Verbindlichkeit, die lediglich bei einem künftigen Handelsbilanzgewinn bzw. einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt werden muss, trotzdem im Jahresabschluss passiviert werden muss. Im Verfahren ging es um die steuerliche Einordnung von Rangrücktrittsvereinbarungen zwischen einer Muttergesellschaft und deren 100%iger Tochtergesellschaft.
Der BFH hatte mit Urteil vom 30.11.2011 für einen sogenannten qualifizierten Rangrücktritt eine Passivierung derjenigen Verbindlichkeiten, für die der Rangrücktritt erklärt worden war, ausgeschlossen. Die entscheidende Passage der Rangrücktrittsvereinbarung lautete: „Die Gläubigerin kann die Befriedigung ihrer Gesamtforderung nur aus künftigen Jahresüberschüssen, soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen, oder ggf. aus einem Liquidationsüberschuss verlangen.“
Das Niedersächsische FG hatte hingegen über einen Rangrücktritt zu entscheiden, bei dem die zurücktretende Muttergesellschaft eine Ausgleichspflicht der entscheidenden Forderung in der Weise vereinbart hatte, „dass sie Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann“.
Finanzamt und Tochtergesellschaft stritten darum, ob die Verbindlichkeiten gegenüber der Muttergesellschaft passiviert werden müssen. Das Niedersächsische FG geht von einer Passivierungspflicht für die fragliche Verbindlichkeit aus, da diese nicht durch die Rangrücktrittsvereinbarungen entfällt.
Eine betrieblich begründete Verbindlichkeit muss in der Handels- und Steuerbilanz ausgewiesen werden, solange nicht der Gläubiger dem Schuldner aus betrieblicher Veranlassung die Schuld erlässt oder die Verbindlichkeit aus sonstigen Gründen entfällt. Derartige Gründe sind nach Ansicht des Niedersächsischen FG aber nicht gegeben.
Der Gewinn nach § 5 Abs. 2a EStG ist kein handelsrechtlicher Bilanzgewinn
Insbesondere ist auch § 5 Abs. 2a EStG für das FG nicht anwendbar. Zwar besagt dieser, dass eine Verbindlichkeit, für die ein Rangrücktritt vereinbart worden ist, nach dem die Forderung des Gläubigers hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger zurücktritt und nur aus künftigen Jahresüberschüssen zu erfüllen ist, mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht in der Bilanz auszuweisen ist.
Aber für die streitige Rangrücktrittsvereinbarung ist das Entstehen eines künftigen Bilanzgewinns maßgebend. Der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns ist nach Ansicht des Niedersächsischen FG aber weiter gefasst und entspricht daher nicht den steuerrechtlichen Begriffen „Jahresüberschuss“ oder „Gewinn“.
Das FG begründet sein Auslegungsergebnis damit, dass sich der Handels-„Bilanzgewinn“ nach § 275 Abs. 4 HGB aus der Fortführung der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Jahresüberschuss ergibt. Der Bilanzgewinn wird ausgehend vom Jahresüberschuss der Gewinn- und Verlustrechnung i.S.d. § 275 Abs. 2 Pos. 20 HGB ermittelt, indem der Jahresüberschuss um Vorträge aus dem Vorjahr, Entnahmen aus der Kapitalrücklage und Entnahmen aus der Gewinnrücklage korrigiert wird.
Der Bilanzgewinn stellt damit das Resultat der einzelnen Maßnahmen der bilanziellen Ergebnisverwendung dar, während der Gewinnbegriff des § 5 Abs. 2a EStG lediglich das Ergebnis der Geschäftstätigkeit eines Wirtschaftsjahres umfasst. Daher kann laut FG Niedersachsen die Bilanz nach einer Entnahme aus einer Kapitalrücklage in einem Jahr, in dem kein Jahresüberschuss erwirtschaftet worden ist, einen Bilanzgewinn ausweisen, so dass auf der Grundlage der Rangrücktrittsvereinbarung in Höhe des Bilanzgewinns die Darlehensforderungen, für die der Rangrücktritt erklärt wurde, zu befriedigen sind.
Nach Auffassung des FG ist daher durch die Anknüpfung der Rangrücktrittsvereinbarungen an den Handelsbilanzgewinn § 5 Abs. 2a EStG nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur der Passivierung von Verbindlichkeiten entgegensteht, die ausschließlich aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen zu tilgen sind.
Praxishinweis
Dem FG war wohl bewusst, dass es sich mit diesem Urteil gegen den BFH und auch das BMF stellt, und hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision - Aktenzeichen des BFH ist noch nicht bekannt - zugelassen. Bis der BFH die Revision entschieden hat, sollte bei der Formulierung von Rangrücktrittsvereinbarungen sehr genau auf die Wortwahl geachtet werden.
Der „Bilanzgewinn“ ist nicht mit dem Jahres- oder Liquidationsüberschuss gleichzusetzen. Die Argumentation des FG ist durchaus nachvollziehbar, könnte allerdings dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2a EStG sowie der Absicht der Vertragsparteien eine materielle Überschuldung zu vermeiden, nicht gerecht werden. Bis zur Positionierung des BFH sollte bei Sanierungsversuchen durch Rangrücktrittsvereinbarungen vorsorglich die Wortwahl der Vereinbarung in der Entscheidung des FG vermieden werden.
Niedersächsisches FG, Urt. v. 12.06.2014 - 6 K 324/12
BFH, Urt. v. 30.11.2011 - I R 100/10, BStBl 2012 II 332
BMF-Schreiben v. 08.09.2006 – IV B 2 - S-2133 - 10/06, BStBl 2006 II 497
Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz