Wann liegt ein Missbrauch der Kleinunternehmerregelung vor? Der BFH hat seine Rechtsprechung zu § 19 UStG konkretisiert. Demnach scheidet die Kleinunternehmerregelung aus, wenn eine einheitliche Tätigkeit eines Unternehmens künstlich auf mehrere Unternehmen aufgespalten wird, um die Umsatzbesteuerung zu vermeiden. Ob im Streitfall auch ein Gestaltungsmissbrauch vorlag, ließ das Gericht offen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob eine Tätigkeit auf mehrere Unternehmer so aufgespalten werden kann, dass die einzelnen Unternehmer Kleinunternehmer sein können.
Die Beteiligung der Steuerberatungsgesellschaft
Eine Steuerberatungsgesellschaft war an mehreren GmbH & Co. KGs (KGs) jeweils als Kommanditistin mehrheitlich beteiligt. Die KGs boten ihren Mandanten überwiegend die Verbuchung laufender Geschäftsvorfälle an. Dabei handelte es sich um Leistungen, die bis zur Gründung der KGs von der Steuerberatungsgesellschaft direkt an diese Mandanten erbracht worden waren und die anschließend von den KGs mit den Sach- und Personalmitteln der Steuerberatungsgesellschaft erbracht wurden.
Alle Mandanten der KGs waren nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wobei die Umsätze der einzelnen KGs jeweils unterhalb der Kleinunternehmergrenze blieben. Teilweise wurden dieselben Mandanten nacheinander von mehreren der KGs betreut, ohne dass sich dadurch an der Leistungsausführung inhaltlich etwas änderte und ohne dass erkennbar war, nach welchen sachlichen Kriterien die Beteiligten entschieden, welche KG vom jeweiligen Mandanten beauftragt wurde.
Die Steuerberatungsgesellschaft erhielt nur ihre allgemeine Gewinnbeteiligung, mit der die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern und die Erbringung von Leistungen an die KGs laut den Gesellschaftsverträgen abgegolten war.
Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Auffassung, dass die entsprechenden Umsätze der KGs der Steuerberatungsgesellschaft zuzurechnen seien, da die Gestaltung, nach der Buchführungs- und Lohnabrechnungsleistungen auf die KGs ausgelagert und aufgrund Unterschreitung der Kleinunternehmergrenze nicht der Umsatz- und Gewerbesteuer unterworfen wurden, missbräuchlich sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos, der BFH stimmte dem zu, hob die Entscheidung aber dennoch auf.
Missbrauch der Kleinunternehmerregelung
Bei Kleinunternehmern wird die Umsatzsteuer nicht erhoben. Allerdings handelt es sich dabei um eine Ausnahmeregelung, die eng auszulegen ist. Denn auch wenn § 19 UStG vom allgemeinen Unternehmerbegriff des UStG ausgeht und es keine typischen Kleinunternehmer gibt, liegt der Regelung doch das Bild einer „kleinen“ unternehmerischen Einheit zugrunde, die keinen Verwaltungsaufwand rechtfertigt.
Daher soll die Kleinunternehmerregelung nur denjenigen Unternehmen zugutekommen, die auch tatsächlich in geringem Umfang wirtschaftlich tätig sind.
Bei der von den KGs vorgenommenen Gestaltung potenziert sich jedoch der Wettbewerbsvorteil der aufgespaltenen Kleinunternehmen. Gleichzeitig schafft der Ausschluss des Vorsteuerabzugs dafür keinen Ausgleich, da die KGs kaum Eingangsleistungen beziehen, sondern ihr Geschäft mittels des „Gesellschafterbeitrags“ der Steuerberatungsgesellschaft bestreiten. Weil somit die typisierenden Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr erfüllt werden und insgesamt die Bagatellgrenze überschritten wird, liegt ein nicht mehr gerechtfertigter Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vor.
Aus diesem Grund hält der BFH eine Beschränkung aufgrund des Missbrauchsrisikos auch in diesem Fall für gerechtfertigt. Mit der planmäßigen Aufspaltung und künstlichen Verlagerung von Umsätzen auf die KGs mit dem Ziel, die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten, wird der Vereinfachungszweck des § 19 UStG verfehlt und die Kleinunternehmerregelung missbräuchlich in Anspruch genommen.
Da eine Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung durch die KGs folglich zweckwidrig wäre, ist sie vorliegend den KGs in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben zu versagen.
Praxishinweis
Der BFH hat mit der Entscheidung seine Rechtsprechung zum Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten und zur Kleinunternehmerregelung konkretisiert. Die Kleinunternehmerregelung dient der Vereinfachung, scheidet also aus, wenn eine einheitliche Tätigkeit eines Unternehmens künstlich auf mehrere Unternehmen aufgespalten wird, um damit die Umsatzbesteuerung zu vermeiden. Auf § 42 AO kommt es dabei nicht an, weil dies bereits aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift folgt.
BFH, Urt. v. 11.07.2018 - XI R 26/17
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht