Wann greift die Befreiung von der Umsatzsteuer bei der Übernahme von Verbindlichkeiten? Wenn ein Unternehmer sich dazu verpflichtet, gegen ein Entgelt ein Mietverhältnis einzugehen, ist das nach einem BFH-Urteil keine umsatzsteuerpflichtige Leistung. Mit ihrer Entscheidung haben die BFH-Richter die für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG geltenden Grundsätze näher erläutert.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob die Verpflichtung eines Unternehmers, ein Mietverhältnis gegen Entgelt einzugehen, eine umsatzsteuerpflichtige Leistung darstellt.
Einer KG gehörte ein bebautes Grundstück, das teilweise vermietet war und teilweise leer stand. Die KG wollte dieses Grundstück verkaufen. Der Käufer machte es zur Bedingung des Erwerbs, dass ein Teil der leerstehenden Fläche für fünf Jahre vermietet wird. Daher vereinbarte die KG mit einer GmbH, dass Letztere gegenüber dem Käufer des Grundstücks Mieterverpflichtungen übernimmt. Als Gegenleistung für diese Verpflichtung erhielt die GmbH von der KG eine einmalige Vergütung in Höhe der gesamten Mietzahlungen für den fünfjährigen Mietzeitraum. Mit dem Kauf trat der Erwerber in das Vertragsverhältnis zwischen der KG und der GmbH ein. Die GmbH unterwarf die Vergütung nicht der Umsatzsteuer, während das Finanzamt von einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung ausging. Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt, der BFH urteilte aus folgenden Gründen jedoch anders.
Voraussetzung für eine steuerfreie Leistung
Die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze sind umsatzsteuerfrei. Als eine solche Leistung gilt nach BFH-Rechtsprechung u.a. die entgeltliche Übernahme einer Ausbietungsgarantie oder der Verzicht auf eine Mietgarantie.
Diese Steuerfreiheit bezieht sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben auf Finanzdienstleistungen. Diese Beschränkung sieht der EuGH insbesondere darin begründet, dass die Befreiung von Finanzgeschäften dazu dienen soll, Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage verbunden sind, zu vermeiden. Der Ausdruck „Übernahme von Verbindlichkeiten“ schließt damit andere als Geldverbindlichkeiten – wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren – von der Steuerfreiheit aus.
Übernahme der Verpflichtung als steuerfreie Leistung
Nach Ansicht des BFH ist die von der GmbH erbrachte Leistung möglicherweise nicht umsatzsteuerbar, aber jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei. Durch den Vertrag zwischen KG und GmbH hat sich die GmbH verpflichtet, ein Mietverhältnis als Mieter einzugehen. Dadurch wurde die GmbH als Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu zahlen. Mit dieser Leistung gegen Entgelt hat die GmbH eine Verbindlichkeit begründet und gleichzeitig eine Geldverbindlichkeit übernommen, die sich von den durch ihre Erfüllung begründeten Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag unterscheidet.
Bei der Beurteilung, ob die Übernahme steuerfrei ist, kommt es nicht darauf an, ob der Leistende eine bereits bestehende Verbindlichkeit übernimmt oder erstmals eine Verbindlichkeit begründet. Daher ist nicht ausschlaggebend, ob die GmbH die Verpflichtungen aus einem bereits zuvor abgeschlossenen Mietvertrag von einem Mieter übernimmt oder sich selbst unmittelbar zum Eingehen eines Mietverhältnisses verpflichtet. Die Leistung der GmbH ist daher ebenso zu behandeln, als wenn der Grundstückseigentümer den Mietvertrag zunächst mit einem Dritten geschlossen und sich die GmbH zur Vertragsübernahme gegen Entgelt verpflichtet hätte. Diese Verpflichtung der GmbH wäre steuerfrei, so dass auch die von der GmbH erbrachte Leistung als umsatzsteuerfrei zu behandeln ist.
Für den BFH sprechen auch die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für eine Steuerfreiheit. Denn für die Verpflichtung, ein Mietverhältnis einzugehen, wird eine Zahlung in Höhe der von den aus dem Mietverhältnis insgesamt geschuldeten Nettomieten geleistet. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt der Vorteil der GmbH lediglich darin, dass sie Mieten über eine Laufzeit von fünf Jahren zu zahlen hat, während sie die Gesamtsumme dieser Nettomieten bereits beim Vertragsschluss erhalten hat. Damit erlangt sie nur einen Zinsvorteil aus ihrer Leistung. Es würde daher nicht zu einer zutreffenden Besteuerung führen, die von der GmbH im Streitjahr erhaltene Zahlung in voller Höhe als Gegenleistung, die aus Entgelt und Umsatzsteuer besteht, zu behandeln.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH betrifft zwar auf den ersten Blick nur einen Sonderfall, weil die Übernahme von Mieterverpflichtungen gegen Vergütung kaum der Regelfall sein wird. Aber die Entscheidung stellt die Grundsätze der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG nach nationalen und unionsrechtlichen Regelungen dar: Die „Übernahme von Verbindlichkeiten“ meint stets die Übernahme von Geldverbindlichkeiten. Andere Verbindlichkeiten sind folglich von der Steuerfreiheit nicht erfasst. Diese Klarstellung schafft Rechtssicherheit.
BFH, Urt. v. 30.11.2016 - V R 18/16
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht