Inwiefern kann der Gesellschafter einen gegen die GmbH gerichteten Steuerbescheid anfechten? Der BFH hat die Grundsätze bei einem möglichen Drittanfechtungsrecht gegen die gesonderte Feststellung des Einlagekontos näher bestimmt. Der BFH stellte klar: Auch wenn ein solches Drittanfechtungsrecht besteht, muss der Gesellschafter die Wirkung eines bestandskräftigen Bescheids gegen sich gelten lassen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit der Entscheidung vom 10.12.2019 (I B 35/19) dazu Stellung genommen, ob ein Gesellschafter den an die GmbH gerichteten Steuerbescheid über die gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos anfechten kann.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die B, eine Gesellschaft schottischen Rechts, beteiligte sich an der C GmbH. Damit C eine Beteiligung erwerben konnte, zahlte B einen Betrag in die Kapitalrücklage der C ein.
Die C gab in ihrer Feststellungserklärung gem. § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 0 € an. Das Finanzamt (FA) folgte der Erklärung und stellte den Bestand im Feststellungsbescheid auch so fest. Einen von der C gestellten Berichtigungsantrag, die Zahlung in die Rücklage als Zugang im Einlagenkonto festzusetzen, wies das FA ab.
Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Die Gesellschafter der C legten Einspruch gegen den Bescheid ein und beantragten außerdem Aussetzung der Vollziehung (AdV). Diesen Antrag lehnte das FA ab. Die Antragsteller stellten daraufhin beim Finanzgericht München (FG) einen AdV-Antrag, den das FG als unzulässig abwies.
Wirkung des Feststellungsbescheids gegenüber den Gesellschaftern
Der Feststellungsbescheid gem. § 27 Abs. 2 KStG richtet sich ausschließlich gegen die darin genannte Kapitalgesellschaft. Auch wenn dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, ist diese befugt, gegen den Feststellungsbescheid vorzugehen.
Dieser Bescheid entfaltet über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG eine materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner, weil die Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen zählen, soweit für diese Eigenkapital i.S.d. § 27 KStG als verwendet gilt. Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten.
Ob wegen der bestehenden materiell-rechtlichen Bindungswirkung auch die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft neben dieser gegen den Feststellungsbescheid als Drittanfechtungsberechtigte klagen können, ist für den BFH zwar sehr fraglich, aber selbst wenn ein Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter bestünde, würden insoweit die Beschränkungen des § 166 AO gelten:
Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, wirkt dies auch gegen denjenigen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
Wirkung des § 166 AO
Diese Vorschrift gilt nach Ansicht des BFH auch für Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und deren Adressaten. Der streitige Bescheid ist unanfechtbar geworden, weil der Eintritt der formellen Bestandskraft „gegenüber“ C entscheidend ist.
Wegen der Drittanfechtungsbefugnis hätten die Gesellschafter den Feststellungsbescheid auch anfechten können. Dazu ist allein auf deren rechtliche Befugnis abzustellen, aus eigenem Recht einen Bescheid anfechten zu können.
Folglich kann der Dritte, der trotz Anfechtungsmöglichkeit bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Bescheids diesen nicht angreift, die (angebliche) Rechtswidrigkeit des Bescheids, vorliegend die unzutreffende Höhe des Bestands des steuerlichen Einlagekontos, wegen der sich auf ihn erstreckenden Bestandskraft nicht mehr geltend machen.
Diese Klage wäre also abzuweisen. Dass die Antragsteller den Bescheid hiernach nicht mehr auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen lassen können, hält der BFH für verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn der Kapitalgesellschaft stehen insbesondere umfassende Anfechtungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Ferner berücksichtigt der BFH, dass die Gesellschafter ihre Rechte (z.B. Informationsrechte) gegenüber der GmbH einsetzen können, um die Kapitalgesellschaft zur Einlegung von Einsprüchen gegen vermeintlich rechtswidrige Feststellungsbescheide zu veranlassen. Aus diesen Gründen hat der BFH den AdV-Antrag abgewiesen.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass der Gesellschafter einer GmbH zwar gegen die Feststellungsbescheide, die gegen die GmbH gerichtet sind, möglicherweise ein Drittanfechtungsrecht hat, dieses aber auch entsprechend ausüben muss, wenn er erfolgreich gegen diesen Bescheid vorgehen will.
Der BFH hat damit festgestellt, dass dies gem. § 166 AO auch für den Feststellungsbescheid für das Einlagenkonto der Kapitalgesellschaft gilt. Gesellschafter, die gegen Steuerbescheide, die an die Kapitalgesellschaft gerichtet sind, vorgehen wollen, sollten daher entweder innerhalb der Einspruchsfrist gegen diese Bescheide Einspruch einlegen oder entsprechend auf die Gesellschaft Einfluss ausüben, dass diese Einspruch einlegt.
BFH, Beschl. v. 10.12.2019 - I B 35/19
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht