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Organschaft: Eingliederung und unternehmerische Tätigkeit

Wann wird eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen Unternehmen angenommen? Der BFH hat hierfür relevante Kriterien näher erläutert. Neben einer eigenständigen Unternehmenstätigkeit muss u.a. eine organisatorische Eingliederung vorliegen. Letzteres ist nach den BFH-Richtern auch möglich, wenn die Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft nicht mit denselben Personen besetzt sind.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wann eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht. Dabei hat sich der BFH insbesondere zur organisatorischen Eingliederung sowie zum Erfordernis der eigenen unternehmerischen Tätigkeit des Organträgers geäußert.

Sachverhalt im Besprechungsfall

Eine GmbH hatte zwei Gesellschafter: Eine Mutter, die mit 10 % beteiligt war, und deren Sohn, der die übrigen Gesellschaftsanteile hielt. Der Sohn war zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt und hatte aufgrund seines Anstellungsvertrags Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie des Geschäftsführers der A-GmbH – seines Vaters – zu befolgen. Ferner benötigte er für Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, die ausdrückliche Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Allerdings hatte – nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) – faktisch nicht der Sohn, sondern sein Vater die Geschäftsführung der GmbH ausgeübt.

Im Jahr vor dem Streitjahr hatten Vater und Mutter die F-GmbH errichtet, deren einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Vater war, der zu 90 % an ihr beteiligt war, während die Mutter zu 10 % beteiligt war. Im Gründungsjahr wurden die Geschäftsanteile an der GmbH sowie an der A-GmbH von Vater und Mutter in die F-GmbH eingebracht. Die F-GmbH erbrachte zudem Beratungsleistungen für die GmbH und die A-GmbH. Für das Streitjahr ging die GmbH davon aus, dass die F-GmbH ihr Organträger und sie deren Organgesellschaft ist. Das Finanzamt sah dies anders, ebenso das FG, während der BFH das vorinstanzliche Urteil aufhob und das Verfahren an das FG zurückverwies.

Erste Voraussetzung der umsatzsteuerlichen Organschaft

Voraussetzung für eine umsatzsteuerliche Organschaft ist, dass der Organträger finanziell über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Organgesellschaft verfügt, wirtschaftlich mit ihr verflochten ist und die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Diese drei Voraussetzungen waren nach Ansicht des BFH im vorliegenden Fall erfüllt.

Finanzielle Eingliederung

Zunächst war gemäß BFH die finanzielle Eingliederung der GmbH in die F-GmbH gegeben. Denn die F-GmbH verfügte über die Mehrheit der Stimmrechte bei der GmbH, da alle Anteile an der GmbH wirksam in die F-GmbH eingebracht wurden und Letztere damit ihren Willen bei Beschlussfassungen durchsetzen konnte.

Organisatorische Eingliederung

Für den BFH lagen die Voraussetzungen einer organisatorischen Eingliederung ebenfalls vor.

Eine solche im Sinne einer engen Verflechtung mit Über- und Unterordnung liegt regelmäßig vor, wenn Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft herrscht. Ausnahmsweise ist eine organisatorische Eingliederung aber auch ohne personelle Verflechtungen der Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft gegeben.

Dies ist dann der Fall, wenn der Organträger über institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft verfügt. Dafür reicht allerdings eine bloß faktische Geschäftsführung nicht aus. Vielmehr muss der Organträger durch schriftlich fixierte Vereinbarungen – wie etwa eine Geschäftsführerordnung oder Konzernrichtlinie – die Möglichkeit besitzen, gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis nachzuweisen und den Geschäftsführer der Organgesellschaft bei Verstößen gegen seine Anweisungen haftbar zu machen.

Diese Möglichkeit hatte die F-GmbH aufgrund ihrer institutionell abgesicherten unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten, indem sie in Person des Vaters die mit der finanziellen Eingliederung der GmbH verbundene Möglichkeit der Beherrschung in der laufenden Geschäftsführung wahrnahm und so die GmbH durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschte.

Daran ändert auch die Bestellung des Sohns zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH nichts, denn dieser hatte nach seinem Anstellungsvertrag Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie des Geschäftsführers der A-GmbH, also seines Vaters, zu befolgen. In der Gesellschafterversammlung hätte er sich nicht durchsetzen können, da die Geschäftsanteile an der GmbH von der F-GmbH, an deren Stammkapital sein Vater zu 90 % beteiligt war, gehalten wurden.

An dieser Einschätzung hält der BFH auch für den Fall fest, dass der Anstellungsvertrag des Sohns „so nicht durchgeführt“ wurde. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass der Vater alleine anstelle seines nominell als Geschäftsführer bestellten Sohns die Geschäfte der GmbH führte und der Sohn den Geschäften, die sein Vater ausführte und die ihn selbst betrafen, zustimmte – wie im Anstellungsvertrag vorgesehen.

Insoweit ist für die organisatorische Eingliederung weder erforderlich, dass der Vater personenidentisch mit der F-GmbH war, noch dass er von der GmbH ein Gehalt bezog, weil er Geschäftsführer der F-GmbH war. Daher besteht aus Sicht des BFH Personenidentität in der Geschäftsführung.

Wirtschaftliche Eingliederung

Wegen der Beratungsleistungen, die die F-GmbH für die GmbH und die A-GmbH erbrachte, war auch die wirtschaftliche Eingliederung gegeben. Für die wirtschaftliche Eingliederung kommt es nicht darauf an, ob diese Leistungen entgeltlich erbracht wurden: hinsichtlich der Eingliederungsvoraussetzungen ist laut BFH das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend, so dass eine Organschaft nicht erfordert, dass alle drei Eingliederungsmerkmale gleichermaßen ausgeprägt sind.

Zweite Voraussetzung der umsatzsteuerlichen Organschaft

Neben den Eingliederungsmerkmalen setzt eine Organschaft voraus, dass der Organträger eine eigenständige Unternehmenstätigkeit ausübt. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hatte das FG jedoch nicht geklärt, weil unklar war, ob die F-GmbH die Beratungsleistungen für die GmbH oder die A-GmbH gegen Entgelt erbracht hat, d.h. selbständig und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig war. Daher hob der BFH das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das FG.

Praxishinweis

Mit seiner Entscheidung hat der BFH die Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung weiter präzisiert: Eine organisatorische Eingliederung erfordert nicht zwingend eine Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft. Vielmehr reicht es auch aus, wenn der nominell bestellte Geschäftsführer der Organgesellschaft den Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie eines angestellten Dritten, der die Willensbildung der Gesellschafterversammlung bestimmen kann und gleichzeitig alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer des Organträgers ist, unterworfen ist. Unternehmen mit Konzernstrukturen, für die bisher noch keine umsatzsteuerliche Organschaft angenommen wird, sollten prüfen, ob diese neue Rechtslage zu einer anderen Würdigung führen kann.

BFH, Urt. v. 12.10.2016 - XI R 30/14

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht