Wann können bei der Übernahme eine Arztpraxis Kaufpreis und Nebenkosten als Sonderbetriebsausgaben bei den Absetzungen für Abnutzung (AfA) abgeschrieben werden? Der BFH hat entschieden, dass dies insbesondere davon abhängt, ob die gesamte Praxis als „Chancenpaket“ verkauft oder nur eine Vertragsarztzulassung übertragen wird. Einen wichtigen Hinweis dafür liefert der vereinbarte Kaufpreis.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Urteilen vom 21.02.2017 (VIII R 56/14 und VIII R 7/14) entschieden, dass eine Vertragsarztzulassung keinem eigenständigen Werteverzehr unterliegt und somit nicht abgeschrieben werden kann. Dies resultiert aus den Umständen, dass die Zulassung als Arzt einen gleichbleibenden wirtschaftlichen Vorteil darstellt und dieser im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens regelmäßig verwertet werden kann, so dass sich dieser Wert nicht in einer bestimmten Zeit abnutzt.
Dieser Fall ist jedoch vom Normalfall eines Arztpraxiskaufs abzugrenzen. In der Regel wird eine Arztpraxis als Sachgesamtheit oder sogenanntes „Chancenpaket“ veräußert. Das umfasst die Praxis mit allen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern und einem Praxiswert. Es wird also nicht nur die Zulassung als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut veräußert. In einem solchen Fall kann der Wert der Zulassung zusammen mit dem Praxiswert abgeschrieben werden.
Im ersten Fall (Az. VIII R 56/14) hat eine Gemeinschaftspraxis eine Einzelpraxis im Rahmen eines Praxisübernahmevertrags erworben, wobei der Verkäufer sich verpflichtete, im Nachbesetzungsverfahren an der Überleitung der Zulassung auf den Erwerber mitzuwirken. Allerdings übernahm die Gemeinschaftspraxis weder Teile der Praxiseinrichtung noch Arbeitnehmer oder anderweitige Verträge.
Die Anteilseigner der Gemeinschaftspraxis machten bei der Feststellungerklärung den Kaufpreis inklusive Nebenkosten als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der AfA geltend. Das zuständige Finanzamt versagte den Ansatz der Aufwendungen, da die Zulassung ein eigenes, immaterielles, nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut sei. Nach erfolglosem Einspruch und anschließender Klage vor dem Finanzgericht Nürnberg (FG) bestätigte der BFH die Auffassung des Finanzamts.
Diese Sichtweise bekräftigte der BFH mit einem zweiten Urteil vom 21.02.2017 (Az. VIII R 7/14). Dabei betonte er auch, dass bei einem Praxisverkauf in der Regel nicht nur die Zulassung als Vertragsarzt verkauft wird, sondern im Normalfall die Sachgesamtheit der Arztpraxis als einheitliches Chancenpaket. Dieses setzt sich aus unterschiedlichen wertbildenden Einzelfaktoren zusammen wie Patientenstamm, Standort, Umsatz oder Facharztgruppe. Dieses Paket wird in der Regel als immaterielles abschreibbares Wirtschaftsgut „Praxiswert“ dargestellt. In diesem sind insbesondere der Wert der Vertragsarztzulassung sowie der Wert des Patientenstamms enthalten.
Abgrenzungskriterien Praxiskauf vs. Kauf der Zulassung
Der BFH geht beim Verkauf einer Arztpraxis von dem Regelfall aus, dass ein Arzt grundsätzlich eine gesamte Praxis als Chancenpaket erwerben möchte und nicht nur die Zulassung als Vertragsarzt. Dieser Fall ist von dem Sonderfall zu unterscheiden, in dem der Käufer lediglich das immaterielle Wirtschaftsgut des Vorteils aus einer Vertragsarztzulassung erwerben möchte.
Für den Erwerb als einheitliches Chancenpaket wird insbesondere der Kaufpreishöhe eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Zahlt der Erwerber einen Preis in Höhe des Verkehrswerts, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Praxis als Chancenpaket verkauft werden soll und sich im Kaufpreis sowohl Patientenstruktur als auch Ertragskraft der Praxis wiederfinden. Dies gilt ebenfalls bei Zahlung eines überhöhten Kaufpreises. Nicht entscheidend ist nach Ansicht des BFH, ob beabsichtigt ist, die erworbene Praxis in denselben Räumen fortzuführen.
Will der Erwerber sich jedoch nur die mit der Vertragszulassung verbundene Marktchance sichern - also die Chance an der vertragsärztlichen Versorgung im Zulassungsbereich - und beabsichtigt dieser nicht, die Praxis als solche fortzuführen, so ist lediglich die Vertragszulassung als solche Bestandteil des Erwerbsvorgangs und stellt ein eigenes immaterielles nicht dem Werteverzehr unterliegendes Wirtschaftsgut dar.
Praxishinweis
Der BFH bestätigt mit diesen beiden Urteilen seine Rechtsprechung im Hinblick auf die Ermittlung der AfA nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG und arbeitet die Abgrenzungskriterien genau heraus. Erwerber einer Arztpraxis sollten beachten, dass Sie den Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts oder über diesem vereinbaren, da dieser primäres Abgrenzungskriterium für den Erwerb der Praxis als Chancenpaket ist. Dies sollte nach Ansicht des BFH grundsätzlich dazu führen, dass die Vertragszulassung als Bestandteil der Praxis erworben wird und somit im Rahmen des Praxiswertes abgeschrieben werden kann.
BFH, Urt. v. 21.02.2017 - VIII R 56/14
BFH, Urt. v. 21.02.2017 - VIII R 7/14
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper