Was gilt für die Absetzbarkeit von Fahrtkosten, wenn Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen einen Sammelpunkt aufsuchen? Wann kann die Entfernungspauschale geltend gemacht werden? Nach dem BFH erfordert das Kriterium „typischerweise arbeitstäglich“ in § 9 EStG kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen. Ausnahmen sind möglich.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 02.09.2021 (VI R 14/19) seine Grundsätze zu den Reisekosten im Zusammenhang mit dem arbeitstäglichen Aufsuchen eines Sammelpunkts weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
K ist als Elektroinstallateur beschäftigt, gemäß Arbeitsvertrag ist sein Arbeitsort „der Sitz des Betriebs sowie alle Baustellen des Arbeitgebers“.
Im Streitjahr war K durchgängig auf einer Fernbaustelle tätig und suchte an 177 Tagen zunächst den Betrieb des Arbeitgebers mit seinem eigenen Pkw auf, um von dort mit einem Firmenfahrzeug zu der auswärtigen Baustelle zu fahren. An weiteren 25 Tagen fuhr er mit seinem privaten Pkw direkt zu der Baustelle.
Streitig wurde die Behandlung dieser 25 Fahrten als Reisekosten, also die Frage, ob K die Kilometerpauschale von 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer ansetzen kann oder nur für die einfache Fahrtstrecke, wie das Finanzamt meinte. Der Einspruch des K hatte ebenso wie die Klage zum Finanzgericht (FG) keinen Erfolg. Der BFH hingegen folgte dem K.
Fahrtkosten als Reisekosten
Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat. Die arbeitsrechtliche Anordnung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden.
Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund der Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat. Es kommt nicht darauf an, dass hierbei eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird.
Maßgebend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer entsprechend der Weisung des Arbeitgebers den Ort i.d.R. aufzusuchen hat. Ausnahmen sind mithin durchaus möglich, wie z.B. infolge einer Fortbildungsveranstaltung oder eines unvorhergesehenen Einsatzes.
Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen, allerdings kann der BFH nicht abschließend beurteilen, ob K für seine Fahrten zum Betriebssitz des Arbeitgebers tatsächlich nur die Entfernungspauschale beanspruchen kann.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG deshalb zunächst zu prüfen haben, ob K aufgrund einer den Arbeitsvertrag ergänzenden Weisung seines Arbeitgebers dessen Betriebssitz oder auch der Fernbaustelle als einer Einrichtung eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dauerhaft zugeordnet und in dem erforderlichen Umfang dort tätig war.
Sollte danach auch weiterhin keine erste Tätigkeitsstätte vorliegen, wird das FG aufzuklären haben, ob das routinemäßige Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers durch K zwecks Übernahme des Firmenfahrzeugs mit anschließender Weiterfahrt zur Baustelle auf einer entsprechenden Anordnung des Arbeitgebers als ein von diesem festgelegter Ort (Sammelpunkt) beruhte und K diesen Ort auch typischerweise arbeitstäglich aufsuchen sollte.
Praxishinweis
Der BFH hat seine Grundsätze zu Fahrtkosten im Zusammenhang mit dem Aufsuchen eines Sammelpunkts weiter konkretisiert: Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.
Ein „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen erfordert kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des Arbeitnehmers. Für die Frage, ob der Arbeitnehmer denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufgrund der Weisung des Arbeitgebers „dauerhaft“ aufzusuchen hat, ist die Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG entsprechend heranzuziehen.
BFH, Urt. v. 02.09.2021 - VI R 14/19
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht