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Einkommensteuer -

Reisekosten: Arbeitsfahrten bei Treffen am Sammelpunkt

Wie werden Fahrtkosten steuerlich berücksichtigt, wenn Arbeitnehmer sich an einem Sammelpunkt einfinden? Nach dem BFH setzt die Entfernungspauschale voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das Gebiet aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers typischerweise arbeitstäglich und dauerhaft aufsuchen muss. Der Gesetzeswortlaut „typischerweise arbeitstäglich“ schließt aber nicht einzelne Ausnahmen aus.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 19.04.2021 (VI R 6/19) seine Grundsätze zu den Fahrtkosten im Zusammenhang mit regelmäßigen Treffen an einem Sammelpunkt des Arbeitgebers weiter konkretisiert.

Sachverhalt im Besprechungsfall

Der Kläger A ist als Baumaschinenführer angestellt. Zu den jeweiligen Arbeitsorten (Baustellen) gelangte er entsprechend einer betriebsinternen Anweisung des Arbeitgebers jeweils mit einem Sammelfahrzeug. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen A (mehrtägig) übernachtete.

Die Einsätze auf den „Fernbaustellen“ dauerten i.d.R. die gesamte Woche. In der Einkommensteuererklärung machte A bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Fahrtkosten von 15 km x 145 Tage x 0,30 € x 2 = 1.305 € geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen jedoch nur mit der Entfernungspauschale i.H.v. 653 €, also der Hälfte der beantragten Fahrtkosten. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der BFH folgte dem nicht.

Werbungskostenabzug von Fahrtkosten

Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen (sog. Sammelpunkt), gilt der Werbungskostenabzug für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend.

Es ist also grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Sammelpunkt i.H.v. 0,30 € anzusetzen.

Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen (im weiteren Verlauf: arbeitsrechtliche) zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen.

Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hat. Die arbeitsrechtliche Anordnung des Arbeitgebers muss nach Ansicht des BFH für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden.

Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund der Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.

Nach dem Wortlaut „typischerweise“ ist nicht maßgebend, dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort oder das Gebiet im Veranlagungszeitraum ausnahmslos aufzusuchen hat. Typischerweise meint „i.d.R. üblich“, „im Normalfall“.

Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass hierbei eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird. Maßgebend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer entsprechend der Weisung des Arbeitgebers den Ort i.d.R. aufzusuchen hat.

Ausnahmen sind mithin durchaus möglich, wie z.B. infolge einer Fortbildungsveranstaltung oder eines unvorhergesehenen Einsatzes.

Nicht ausreichend ist es nach Ansicht des BFH wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts jedoch, wenn der Arbeitnehmer bei wechselnden Einsatzorten weiß, dass er an jedem Arbeitstag, an dem er Fahrten von seiner Wohnung aus durchführen wird, immer den vom Arbeitgeber festgelegten Ort vor Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit aufzusuchen hat.

Das Gesetz fordert ein „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen, so dass ein nur „typischerweise fahrtägliches“ Aufsuchen gerade nicht ausreicht.

Ein dauerhaftes Aufsuchen ist entsprechend der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG zu bejahen, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts oder desselben weiträumigen Tätigkeitsgebiets unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten erfolgt.

Entscheidung im Besprechungsfall

A hatte unstreitig keine erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG und gelangte zu seinen jeweiligen Arbeitsorten (Bau-/Einsatzstellen) entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers, so dass das Aufsuchen des Betriebssitzes zum Zweck des Weitertransports an die Einsatzorte im Streitfall nicht unbefristet – und damit nicht dauerhaft – erfolgen sollte.

Allerdings ist ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers als Sammelpunkt allein aufgrund der Anzahl der dorthin unternommenen Fahrten im Verhältnis zu den Gesamtarbeitstagen des A nicht gegeben.

Daher hob der BFH die erstinstanzliche Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurück. Dabei wird das FG nach Vorgabe des BFH aufzuklären haben, ob A gemäß den Weisungen des Arbeitgebers bei einer Ex-ante-Betrachtung den Betriebssitz seines Arbeitgebers als von diesem festgelegten Ort (Sammelpunkt) auch typischerweise arbeitstäglich aufsuchen sollte.

Dabei wird es u.a. entscheidend darauf ankommen, ob von vornherein feststand, dass A nicht nur auf eintägigen Baustellen eingesetzt werden würde, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen. Hierfür kann auch die Betriebsstruktur des Arbeitgebers eine Rolle spielen. In diesem Fall läge aus Ex-ante-Sicht kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers vor.

Denn dann hätte von vornherein festgestanden, dass A den Betriebssitz nur an den Fahrtagen aufsuchen sollte. Ein nur typischerweise fahrtägliches Aufsuchen ist aber nicht ausreichend.

Sollte A hingegen aus Ex-ante-Sicht grundsätzlich nur tageweise auf lokalen Baustellen eingesetzt werden, so dass es sich bei den tatsächlich erfolgten wiederholten mehrtägigen Einsätzen auf Fernbaustellen mithin um nicht absehbare Ausnahmen handelte, wäre der Tatbestand gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG hingegen erfüllt. Denn ein aus Ex-ante-Sicht typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen setzt nur voraus, dass dies i.d.R. zu erfolgen hatte, ohne dass ein ausnahmsloses Aufsuchen erforderlich wäre.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Grundsätze zu dem ab 2014 neuen Reisekostenrecht bezüglich des Aufsuchens eines Sammelpunkts weiter konkretisiert: Die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale setzt gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG voraus, dass der Arbeitnehmer den Ort oder das weiträumige Gebiet zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.

Ein „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen erfordert kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des Arbeitnehmers. Ein nach Weisung „typischerweise fahrtägliches“ Aufsuchen genügt aber nicht. Für die Frage, ob der Arbeitnehmer denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufgrund der Weisung des Arbeitgebers „dauerhaft“ aufzusuchen hat, ist die Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG entsprechend heranzuziehen.

BFH, Urt. v. 19.04.2021 - VI R 6/19

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

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