Können bestandskräftige Verlustfeststellungsbescheide geändert werden? Der BFH hat entschieden, dass die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auch dann zu ändern ist, wenn im Einkommensteuerbescheid Veräußerungsverluste in geringerer Höhe als tatsächlich erzielt ausgewiesen sind und eine Verlustausgleichsbeschränkung greift.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 20.07.2018 entschieden, dass die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auch dann noch möglich ist, wenn im angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr Veräußerungsverluste in geringerer Höhe als tatsächlich erzielt ausgewiesen sind und die Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 EStG eine steuerliche Auswirkung der nicht ausgleichbaren Veräußerungsverluste auf die Höhe der Einkommensteuer ausschließt.
Sachlage im Streitfall
Im aktuellen Fall investierte ein Steuerpflichtiger in fremdfinanzierte Anlagen und erzielte daraus Verluste. Nach einer Außenprüfung ging das Finanzamt (FA) davon aus, dass hinsichtlich der Finanzanlagen wegen hoher Refinanzierungszinsen keine Einkünfteerzielungsabsicht vorlag, und erkannte die Verluste nicht an.
Der Steuerpflichtige legte hiergegen Einspruch ein und beantragte in den Einspruchsverfahren die Berücksichtigung der in Rede stehenden Verluste als Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und, soweit diese nicht ausgleichsfähig seien, die gesonderte Feststellung der Verluste.
Mit Einspruchsentscheidung wies das FA die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide jedoch als unbegründet zurück. Es lägen zwar Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor. Aber die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags seien bestandskräftig.
Daraufhin beantragte der Steuerpflichtige Änderung der Verlustfeststellungsbescheide, welches das FA wiederum ablehnte, da nicht der Einkommensteuerbescheid Bezugspunkt für eine Änderung der Verlustfeststellungsbescheide sei, sondern nur ein bereits ergangener Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres. Die Verlustfeststellungen seien aber wegen Bestandskraft nicht mehr änderbar.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage insoweit statt, als der Steuerpflichtige die Änderung der Verlustfeststellungsbescheide nach § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG i.d.F. vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 geltend gemacht hatte, um weitere Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften zu erhöhen. Der in Revision angerufene BFH bestätigte das Urteil des FG in Hinblick auf die Erhöhung des verbleibenden Verlustvortrags.
Gesonderte Feststellung von Verlusten
Grundsätzlich ist am Schluss eines Veranlagungszeitraums der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibende Verlustvorträge sind nach § 10d EStG die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die abgezogenen und die abziehbaren Beträge, vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag.
Ergangene Feststellungsbescheide sind jedoch nur dann zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Ändern sich die zu berücksichtigenden Beträge aber nicht, ist die Vorschrift von vornherein unanwendbar, wenn der Erlass, die Aufhebung oder die Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkungen unterbleibt.
§ 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG ist eine den Vorschriften der AO gegenüber eigenständige Korrekturvorschrift, mit der der Gesetzgeber für den Verlustabzug auch bei bestandskräftigen Feststellungsbescheiden eine Änderungssperre erst dann eintreten lassen will, wenn die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist.
Praxishinweis
Der BFH bestätigt, dass § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG eine gegenüber den Vorschriften der AO eigenständige Korrekturvorschrift ist. Zwar fehlte die steuerliche Auswirkung durch den festgestellten Verlust, eine solche kann sich jedoch auch aus tatsächlichen Umständen ergeben. Vorliegend schließt die Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 EStG eine steuerliche Auswirkung aus. Dementsprechend hat die steuerliche Feststellung des Verlusts auch ohne steuerliche Auswirkung zu erfolgen.
BFH, Urt. v. 20.07.2018 - IX R 28/17
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper