Wann können im Wege des Teileinkünfteverfahrens bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften Ausnahmen von der Abgeltungsteuer wahrgenommen werden? Das „Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz“ ändert § 32d Absatz 2 EStG mit der Folge, dass eine „berufliche Tätigkeit“ für die Gesellschaft bei geringeren Beteiligungsquoten einen größeren Einfluss auf das Unternehmen erfordert. Der BFH sah dies zuvor anders.
Seit Einführung der Abgeltungssteuer sind die Voraussetzungen der Option zum Teileinkünfteverfahren mehrmals geändert worden. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG i.d.F. des sogenannten Anti-BEPS-Umsetzungsgesetzes müssen nun für eine Option zum Teileinkünfteverfahren erhöhte Anforderungen erfüllt werden. Konkret macht es das Gesetz für die Ausübung der Option erforderlich, dass der Steuerpflichtige einen maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft ausüben kann. Die näheren Voraussetzungen der Neuregelung sind noch unklar.
Historie der Änderung
Bis zur Neuregelung erforderte die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG a.F., dass die Beteiligungsquote „mindestens 1 %“ ausmacht und derjenige, der die Option ausüben möchte, für die Kapitalgesellschaft „beruflich tätig“ ist. Die Auslegung der „beruflichen Tätigkeit“ war seit Einführung der Regelung durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2008 vom 20.12.2007 (BGBl 2007 I 3150) unklar.
Die Finanzverwaltung nahm eine berufliche Tätigkeit an, wenn eine „selbständig oder nichtselbständig ausgeu?bte Tätigkeit“ für die Kapitalgesellschaft vorlag. Dabei kam es nicht darauf an, ob es sich bei dieser Tätigkeit um eine „gewerbliche, freiberufliche oder um eine andere unter die Gewinneinku?nfte fallende Tätigkeit“ handelte. Für die Finanzverwaltung war die Option lediglich ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit „von untergeordneter Bedeutung“ war.
In letztgenanntem Punkt folgte der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 25.08.2015 - VIII R 3/14 (BStBl 2015 II 892) nicht der Ansicht der Finanzverwaltung. Der BFH ging davon aus, dass die Option keine qualitativen oder quantitativen Voraussetzungen an die erforderliche berufliche Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft stellt. Die Finanzverwaltung folgte dieser Ansicht zunächst, das einschlägige Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (v. 18.01.2016 - IV C 1 - S-2252/08/10004 :017, BStBl 2016 I 85, Rz. 138) wurde geändert.
Nun hat der Gesetzgeber entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH die Maßstäbe für die berufliche Tätigkeit angehoben. Ab dem Veranlagungszeitraum 2017 lautet die Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige, der die Option ausüben möchte, durch eine berufliche Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft „maßgeblichen unternehmerischen Einfluss auf deren wirtschaftliche Tätigkeit nehmen kann“.
Hintergrund der Änderung
Die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG i.d.F. des JStG 2008 steht nach Ansicht des BFH einer „Übermaßbesteuerung aufgrund des Werbungskostenabzugsverbots des § 20 Abs. 9 EStG“ entgegen, indem Beschäftigte einer Kapitalgesellschaft weder Finanzierungskosten noch einen Verlust der Beteiligung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ansetzen können.
Die Neuregelung soll, so die Gesetzesbegründung, den „ursprünglichen Willen des Gesetzgebers“ bei der Einführung der Regelung mit dem JStG 2008 gesetzlich fixieren. Die Option soll demnach bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften möglich sein, die mit einem unternehmerischen Interesse verbunden sind. Durch die gesetzlichen Vorgaben – entweder eine Beteiligung von mindestens 25 % oder eine Beteiligung ab 1 % und eine berufliche Tätigkeit mit maßgeblichem Einfluss – sollen die Fälle, in denen reine Vermögensverwaltung betrieben wird, ausgeschlossen werden.
Diesem Zweck wird hingegen das Urteil des BFH vom 25.08.2015 - VIII R 3/14 nicht gerecht. Denn nach Ansicht des BFH reichen bereits einfache berufliche Tätigkeiten (z.B. als Bu?rosachbearbeiter oder Lagerarbeiter) fu?r eine Kapitalgesellschaft aus, um bei einer Beteiligung von mindestens 1 % die Option ausüben zu können.
Inhalt der Änderung
Bei einer Beteiligungshöhe zwischen 1 % und 24 % ist künftig erforderlich, dass ein maßgeblicher unternehmerischer Einfluss ausgeübt wird, der auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft gerichtet sein muss. Allerdings handelt es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der noch der näheren Auslegung bedarf.
Insoweit wird künftig ein entsprechender Nachweis für den Einfluss auf die „wirtschaftliche Tätigkeit“ erforderlich, der gerade durch die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der die Option ausüben möchte, vermittelt werden muss. Dies schließt folglich die in der Gesetzesbegründung genannten „Hilfstätigkeiten“ von einfachen Angestellten aus, denn solche Tätigkeiten dürften kaum einen maßgeblichen Einfluss vermitteln. Der Wortlaut legt auch nahe, dass die maßgebliche Einflussnahme durch eine nahestehende Person nicht ausreichen wird.
Außerdem ist unklar, ob der erforderliche maßgebliche Einfluss bei einer Gesellschaft, die mehrere Tätigkeiten ausübt, auf alle diese Tätigkeiten ausgeübt werden muss oder ob die Einflussnahme auf einen dieser Geschäftszweige ausreicht. Dies wird die Rechtsprechung klären müssen.
Ferner ist der Neufassung nicht zu entnehmen, ob die berufliche Tätigkeit ganzjährig erbracht werden muss. Weil der Gesetzeswortlaut lediglich verlangt, dass die Tätigkeit einen maßgeblichen unternehmerischen Einfluss vermitteln kann, ist eine tatsächliche Einflussnahme nicht erforderlich. Aus diesem Grund sollte auch die bloße Möglichkeit der Einflussnahme ausreichen, und zwar zu irgendeinem Zeitpunkt während des Veranlagungszeitraums. Eine Mindestdauer der Tätigkeit, die den erforderlichen maßgeblichen Einfluss in einem Veranlagungszeitraum gewährt, verlangt das Gesetz zwar nicht. Aber damit der Einfluss maßgeblich sein kann, ist eine gewisse nachhaltige Ausübung erforderlich. Allerdings ist dies dem Gesetz nicht ausdrücklich zu entnehmen.
Praxishinweis
Die Neuregelung gilt erstmals bei Anträgen für den Veranlagungszeitraum 2017, so dass Optionen, die in den Vorjahren ausgeübt wurden, während der fünfjährigen Laufzeit (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG) nicht beeinträchtigt werden sollten. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung die Ansicht einnimmt, dass bestehende Optionen ab dem Veranlagungszeitraum 2017 unwirksam werden, wenn die Voraussetzungen der Neuregelung nicht bestehen. Jedenfalls nach Ablauf der fünfjährigen Optionsdauer sind die Voraussetzungen der verschärften Neuregelung hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit nachzuweisen, um die Option erneuern zu können.
Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl 2016 I 3000
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht