Neben der Basisversorgung gewähren die berufsständischen Versorgungswerke von Freiberuflern auch anderweitige Leistungen. Der BFH hat entschieden, dass für Auszahlungen einer Kapitalversorgung, die wie eine kapitalbildende Lebensversicherung ausgestaltet ist, die Regelungen über Erträge aus Kapitallebensversicherungen anzuwenden sind. Im Streitfall ging es um die Auszahlung an einen Zahnarzt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, welchen steuerlichen Regelungen eine Kapitallebensversicherung unterfällt, die zusätzlich zu einer Basisversorgung aus einem berufsständischen Versorgungswerk gewährt wird, aber als getrennte Kapitalversorgung ausgestaltet ist.
Ein Zahnarzt war seit 1994 Pflichtmitglied des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein (VZN). Satzungsgemäß bestand eine Beitragspflicht für eine Renten- sowie daneben für eine Kapitalversorgung. Letztere ist als kapitalbildende Lebensversicherung und als eigene Versorgungsart mit eigenem Abrechnungsverband im VZN ausgestaltet.
Im Gegensatz zu den Anwartschaften aus der Rentenversorgung sind die Anwartschaften der Kapitalversorgung grundsätzlich beleihbar, übertragbar, vererbbar und jederzeit mit einer Frist von drei Monaten auszahlbar.
Die Leistungen aus der Kapitalversorgung wurden bis zum 31.12.2004 von den Finanzbehörden als steuerfrei eingestuft. Durch Satzungsänderung zum 01.01.2005 wurde die Kapitalversorgung abgeschafft. Die Mitgliedschaft in der Kapitalversorgung ist seitdem nur noch beitragsfrei möglich.
Der Zahnarzt erhielt nach der Kündigung seiner Kapitalversorgung einen Betrag i.H.v. 25.853 € ausgezahlt. Entsprechend der vom VZN ausgestellten „Bescheinigung der Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG“ sollten 19,67 % dieser Leistungen nach der sogenannten Öffnungsklausel behandelt werden.
Das Finanzamt (FA) folgte dem nicht und qualifizierte den Auszahlungsbetrag als sonstige Einkünfte, sah allerdings einen Anteil von 19,67 % des ausgezahlten Betrags der Kapitalversorgung als steuerfrei an. Das Finanzgericht folgte dem FA und wies die Klage ab, der BFH gab der Revision des Zahnarztes statt.
Einordnung der Einmalleistung aus einem berufsständischen Versorgungswerk
Eine Kapitalauszahlung ist als „andere Leistung“ i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG anzusehen, wenn keine „wiederkehrenden Bezüge“ nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG vorliegen und es sich um Leistungen handelt, die zur Basisversorgung gehören. Das wesentliche Charakteristikum der Einkünfte des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist nämlich, dass sie der Basisversorgung dienen.
Dazu gehören Leibrenten, die auf einem durch Beiträge erworbenen Anspruch gegen einen gesetzlichen oder privaten Vermögensträger auf lebenslängliche Versorgung beruhen, frühestens ab dem 60. Lebensjahr gezahlt werden und bei denen die Anwartschaften nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein dürfen.
Davon abzugrenzen sind zum einen die steuerlich geförderten Produkte der privaten Altersvorsorge nach §§ 10a und 79 ff. EStG und die betriebliche Altersvorsorge, die zur kapitalgedeckten Zusatzversorgung gehören, und zum anderen die Kapitalanlageprodukte, die zwar der Altersvorsorge dienen können, aber nicht müssen.
Einordnung der Kapitalversorgung des VZN
Die Erträge aus der Kapitalversorgung des VZN sind keine Leistungen aus der Basisversorgung eines berufsständischen Versorgungswerks i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, sondern solche nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Denn Kapitallebensversicherungen sind nicht als Teil der Basisversorgung anzusehen. Das gilt auch dann, wenn die Anwartschaften auf Beiträgen beruhen, die vor Inkrafttreten des AltEinkG zum 01.01.2005 geleistet worden sind.
Dabei muss es unerheblich sein, ob die Erträge aus solchen Kapitallebensversicherungen von einem berufsständischen Versorgungswerk oder einem anderen Anbieter ausgezahlt werden. In beiden Fällen liegen Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG vor.
In § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG selbst wird zwar nicht zwischen den zur Basisversorgung zählenden Leistungen der berufsständischen Versorgungswerke, also den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbaren Leistungen, und anderen Leistungen unterschieden.
Aber auch bei Leistungen eines berufsständischen Versorgungswerks ist § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nachrangig anzuwenden. Gehören derartige Bezüge zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG genannten Einkunftsarten, sind sie keine sonstigen Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG.
Für diese Einordnung ist es für den BFH unerheblich, dass unterschiedliche Anforderungen an die berufsständischen Versorgungswerke in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG gestellt werden.
Die fraglichen Leistungen aus der Kapitalversorgung des VZN zählen nicht zur Basisversorgung. Denn anders als im Fall der Basisversorgung sind die Ansprüche aus der Kapitalversorgung beleihbar, übertragbar, vererbbar und jederzeit mit einer Frist von drei Monaten auszahlbar.
Die Kapitalversorgung der VZN bildet damit einen eigenen Abrechnungsverband, der von der Rentenversorgung, die die Basisversorgung sicherstellt, getrennt ist und auch satzungsmäßig gesondert geregelt wird. Folglich sind die Erträge aus der Kapitalversorgung, ausgestaltet als Kapitallebensversicherung, nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu besteuern.
Besteuerung der Erträge aus der Kapitalversorgung
Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind zwar grundsätzlich steuerpflichtig. Dies gilt aber nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden.
Für die Anwendung von § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 kommt es lediglich darauf an, dass der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 begünstigten Vertragstypen gehört. Es ist deswegen unerheblich, ob diese Versicherung mit einem Versicherungsunternehmen oder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung abgeschlossen worden ist.
Die bei der Kapitalversorgung des Zahnarztes als Pflichtmitglied abzuschließende Kapitallebensversicherung hatte aufgrund der satzungsgemäßen Vorgaben stets eine Mindestlaufzeit von zwölf Jahren. Sie ist als Kapitalversicherung gegen laufende Beiträge mit Sparanteil ausgestaltet gewesen und erfüllt folglich die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004 genannten Voraussetzungen.
Da der Zahnarzt der Kapitalversorgung des VZN im Jahr 1994 beitrat und die Leistungen erst im Streitjahr ausgezahlt worden sind, sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 erfüllt. Die Kapitalversorgung ist deshalb in voller Höhe steuerfrei.
Praxishinweis
Vordergründig bezieht sich die Entscheidung des BFH auf einen Einzelfall: Kapitalanlagen der VZN. Bei den Zahlungen liegt die Besonderheit vor, dass diese nach der inzwischen aufgehobenen Gesetzeslage steuerfrei waren. Aber der BFH hat anhand dieser Zahlungen geklärt, dass bei Leistungen eines berufsständischen Versorgungswerks zu unterscheiden ist, ob es sich um die Basisversorgung handelt oder um andere Leistungen.
Im ersten Fall handelt es sich um sonstige Einkünfte, während im zweiten Fall weiter zu untersuchen ist, ob auch eine andere Einkunftsart einschlägig sein kann. Es sollte also künftig bei allen Auszahlungen, die von einem berufsständischen Versorgungswerk vorgenommen werden, genau geprüft werden, ob es sich dabei um die Basisversorgung handelt und, wenn nicht, welche Einkunftsart einschlägig ist.
BFH, Urt. v. 12.12.2017 - X R 39/15
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht