Wann besteht Anspruch auf Kindergeld bei Ausbildung oder Studium im außereuropäischen Ausland? Nach dem BFH kann ein inländischer Wohnsitz vorliegen, wenn das Kind die Wohnung der Eltern mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit nutzt. Für die Berechnung dieser Zeit ist auf das Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahr abzustellen. Die Gründe für den Inlandsaufenthalt spielen hierbei keine Rolle.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einer Entscheidung vom 21.06.2023 (III R 11/21) seine Grundsätze für den Bezug von Kindergeld für Kinder, die zu Ausbildungszwecken im außereuropäischen Ausland leben, bestätigt und weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
T wohnte zunächst im Haushalt ihrer Mutter im Inland. Die Mutter war für T kindergeldberechtigt. Dann nahm T in Australien ein einjähriges Studium auf, das später verlängert wurde.
Bis zum Abschluss des Studiums hielt sich T lediglich zweimal bei der Mutter im Inland auf. Die Zahlung des Kindergelds wurde daraufhin eingestellt. Einspruch und Klage hiergegen waren weitgehend erfolglos. Der BFH folgte dem im Wesentlichen.
Grundsätze und Entscheidung im Besprechungsfall
Bei der Berechnung, ob sich ein Kind in den ausbildungsfreien Zeiten überwiegend im Inland aufhält und – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – die elterliche Wohnung nutzt, ist im Regelfall auf das Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahr abzustellen.
Die Zeiten, in denen sich das Kind vor dem Beginn und nach dem Ende der Ausbildung im Inland aufhält, bleiben dabei außer Betracht.
Steht aber bereits während des laufenden Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahres fest, dass das Kind nicht mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit in der elterlichen Wohnung verbringen wird, so spricht dies für eine Aufgabe des inländischen Wohnsitzes bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst zum Ende des jeweiligen Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahres.
Bei der Frage, ob das Kind die ausbildungsfreie Zeit überwiegend im Inland bzw. in der dortigen elterlichen Wohnung verbracht hat, werden alle Aufenthaltstage gezählt. Die Gründe für den Aufenthalt im Inland spielen bei der Ermittlung seiner Dauer keine Rolle.
Die mangelnden Heimfahrten im ersten Studienjahr der T sind für den Kindergeldanspruch folgenlos und bei der Berechnung, ob T im Anschluss daran die überwiegende ausbildungsfreie Zeit im Inland bzw. in der elterlichen Wohnung verbracht hat, nicht zu berücksichtigen, weil der Auslandsaufenthalt zunächst nur auf ein Jahr angelegt war und bis dahin die Maßstäbe für einen nur einjährigen Auslandsaufenthalt galten.
Infolge des Entschlusses der T, das Studium in Australien um mindestens ein Jahr zu verlängern, galten im zweiten Studienjahr die Kriterien für einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt.
Da T im zweiten Studienjahr über 60 Tage in Deutschland war und sich dabei, von kurzzeitigen Unterbrechungen wie einem Krankenhausaufenthalt abgesehen, in der inländischen Wohnung der Mutter aufhielt, hatte sie auch im zweiten Studienjahr diesen Wohnsitz noch inne.
Im dritten Studienjahr hat T ihren inländischen Wohnsitz im Dezember aufgegeben, denn sie kehrte nicht rechtzeitig nach Deutschland zurück, um dort mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit des dritten Studienjahres zu verbringen, so dass ab diesem Zeitpunkt das Kindergeld aufzuheben war. Da T auch im vierten Jahr lediglich wenige Wochen in Deutschland bei der Mutter verbrachte, war auch für diese Zeit kein Kindergeld zu gewähren.
Praxishinweis
Der BFH hat seine Grundsätze wie folgt bestätigt bzw. erweitert: Ab dem Entschluss, länger als ein Jahr zu Ausbildungszwecken im außereuropäischen Ausland zu bleiben, behält das Kind seinen Inlandswohnsitz in der elterlichen Wohnung nur dann bei, wenn es diese Wohnung für mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit nutzt. Für die Berechnung ist im Regelfall auf das Ausbildungs-, Schul- oder Studienjahr abzustellen. Die Gründe für den Inlandsaufenthalt spielen bei der Ermittlung seiner Dauer keine Rolle.
Steht während des laufenden Ausbildungsjahres fest, dass das Kind nicht mehr als die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit in der elterlichen Wohnung verbringen wird, so spricht dies für eine Aufgabe des inländischen Wohnsitzes bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst zum Ende des jeweiligen Ausbildungsjahres.
BFH, Urt. v. 21.06.2023 - III R 11/21