Wann besteht der Anspruch auf Kindergeld? Was gilt bei Stiefkindern nach einer Trennung und einem zeitweisen Auszug? Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass auch für Kinder des verstorbenen oder geschiedenen Ehe- bzw. Lebenspartners Kindergeld beansprucht werden kann - und zwar unabhängig davon, ob diese Kinder auch durchgehend im Haushalt des Stiefelternteils gewohnt haben.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) hat mit Gerichtsbescheid vom 04.08.2023 (13 K 254/23) entschieden, dass der Anspruch eines Stiefelternteils auf Auszahlung des Kindergelds für ein Stiefkind auch dann fortbesteht, wenn das Stiefkind anlässlich der Trennung der Partner zunächst aus dem bis dahin gemeinsamen Haushalt der Partner ausgezogen ist und später wieder in den alleinigen Hausstand des Stiefelternteils einzieht.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin lebte in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Partnerin A. Sie lebte mit ihren eigenen beiden leiblichen Kindern und mit den leiblichen Kindern (K1 und K2) der A in einem gemeinsamen Haushalt.
Nach der Trennung der Klägerin von A zog Letztere mit ihren beiden leiblichen Kindern aus dem gemeinsamen Haushalt aus. Eines der Kinder (K1) zog zunächst wieder zu seinem leiblichen Vater, kehrte jedoch nach dessen Zustimmung in den Haushalt der Klägerin zurück.
Gegenüber der Familienkasse hat der Kläger der Auszahlung des Kindergelds an die Klägerin zugestimmt. Das weitere Kind (K2) zog mit der Zustimmung seiner beiden leiblichen Elternteile ebenfalls wieder zur Klägerin zurück. Sowohl K1 als auch K2 trafen ihre leiblichen Elternteile nur in unregelmäßigen Abständen.
Die Klägerin stellte bei der beklagten Familienkasse einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für K1 ab November 2022.
Dieser wurde mit der Begründung abgelehnt, dass für das Kind der ehemaligen Lebensgefährtin kein Kindergeld mehr gewährt werden könne, da sie weder verheiratet waren noch im selben Haushalt lebten.
Der gegen die Ablehnung erhobene Einspruch wurde abgelehnt. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt.
Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld
Nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG werden auch die vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder seines Ehegatten als Kinder berücksichtigt. Gleiches gilt im Fall einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Auch von einem Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder können noch nach Auflösung der Ehe gem. § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG berücksichtigt werden.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Das FG ist der Auffassung, dass zu den Kindern des Lebenspartners auch die Kinder des verstorbenen oder geschiedenen Lebenspartners zählen. Dies gelte unabhängig davon, ob diese „durchgehend“ im Haushalt des Stiefelternteils verbleiben.
Das Stiefkindschaftsverhältnis besteht auch nach der Auflösung der Lebenspartnerschaft fort. Eine Benachteiligung des Stiefkindschaftsverhältnisses gegenüber einem „regulären“ Kindschaftsverhältnis ist nach Auffassung des Senats nicht sachgerecht.
Auch im Fall des Todes des anderen Lebenspartners sollte das Kindergeldrecht nicht der Rückkehr eines Kindes zum Stiefelternteil entgegenstehen.
Praxishinweis
Das FG weicht mit dieser Entscheidung von einem seiner früheren Urteile vom 01.03.2000 (14 K 293/98) ab. In diesem Urteil hatte das FG noch entschieden, dass das Obhutsverhältnis zwischen Stiefelternteil und Stiefkind mit dem Auszug erlischt und daher kein Kindergeld mehr zu gewähren sei. Diese Auffassung revidiert das FG mit der aktuellen Entscheidung.
FG Baden-Württemberg v. 04.08.2023 - 13 K 254/23