Wann liegt bei volljährigen Kindern eine einheitliche Erstausbildung vor? Und wann kann Kindergeld beansprucht werden? Nach dem BFH hängt das insbesondere davon ab, ob die Ausbildung die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes bildet. Dies ist bei einer berufsbegleitenden Weiterbildung nicht mehr der Fall, wenn bereits die Berufstätigkeit im Vordergrund steht und die Ausbildung nur nebenbei erfolgt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 11.12.2018 entschieden, dass eine einheitliche Erstausbildung dann nicht mehr anzunehmen ist, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine Weiterbildung in dem bereits aufgenommenen Berufszweig darstellen.
Sachlage im Streitfall
Im aktuellen Fall bezog eine Steuerpflichtige Kindergeld für ihre Tochter, die nach dem Abitur ein duales Bachelorstudium im Fach Betriebswirtschaft absolvierte. Zu dem Studium gehörte auch eine dreijährige praktische Ausbildung, die in einem eigenen Ausbildungsvertrag geregelt wurde.
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums vereinbarte die Tochter mit ihrem bisherigen Ausbildungsbetrieb ein unmittelbar an die Ausbildung nachfolgendes Vollzeitarbeitsverhältnis. Kurz vor Beginn des neuen Anstellungsverhältnisses im September 2015 begann die Tochter ein fünfsemestriges Masterstudium in Wirtschaftspsychologie, wobei die Vorlesungen abends und auch an Samstagen stattfanden.
Die Familienkasse lehnte aufgrund des neuen Vollzeitanstellungsverhältnisses eine weitere Kindergeldfestsetzung ab und verwies auf die bereits abgeschlossene Erstausbildung. Der Antrag und der daraufhin eingelegte Einspruch blieben ohne Erfolg.
Das FG Baden-Württemberg (FG) gab jedoch der Steuerpflichtigen Recht, da das Masterstudium noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung gesehen werde und es nicht auf den Umfang der daneben ausgeübten Erwerbstätigkeit ankomme. Der in Revision angerufene BFH hob das Urteil jedoch auf und verwies das Verfahren zur weiteren Verhandlung zurück an das FG.
Wer hat Anspruch auf Kindergeld?
Grundsätzlich wird Kindergeld für ein volljähriges Kind, das noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, gewährt. Ein Kind befindet sich so lange in der Berufsausbildung, wie es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind nur dann berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Dabei ist eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nicht schädlich.
Wann liegt keine Erstausbildung mehr vor?
Nach der Rechtsprechung des BFH ist im Rahmen der Gesamtwürdigung der Verhältnisse insbesondere einzubeziehen,
- auf welche Dauer das Kind das Beschäftigungsverhältnis vereinbart hat,
- in welchem Umfang die vereinbarte Arbeitszeit die 20-Stundengrenze überschreitet,
- in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen,
- ob die ausgeübte Berufstätigkeit die durch den ersten Abschluss erlangte Qualifikation erfordert und
- inwieweit die Ausbildungsmaßnahmen und die Berufstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung und auf ihren Inhalt aufeinander abgestimmt sind.
Nach den Ausführungen des BFH ist regelmäßig dann eine Berufstätigkeit als Hauptsache anzunehmen, wenn eine Bindung des Kindes längerfristig an einen Arbeitgeber entweder zeitlich unbefristet oder über mehr als 26 Wochen erfolgt. Allerdings kann bei einem Vollzeitstudium an der Universität neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit auch weiter der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen.
Entscheidend ist das zeitliche Verhältnis der Arbeitstätigkeit und der Ausbildungsmaßnahmen. Wird jedoch der erlangte erste Abschluss für die aufgenommene Berufstätigkeit genutzt, um eine dadurch eröffnete Berufstätigkeit auszuüben, steht die Ausbildung nicht mehr im Vordergrund.
Praxishinweis
Der BFH hat mit diesem Urteil seine Rechtsprechung für die Abgrenzung von Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung fortentwickelt. In diesem Rahmen ist stets eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Nutzt das Kind seine bislang erlangte Qualifikation für die berufliche Tätigkeit, so ist ein weitergehender Kindergeldanspruch vermutlich nicht mehr gegeben. Tätigkeiten in der Gastronomie oder Nachhilfetätigkeiten sind dagegen regelmäßig nicht schädlich.
BFH, Urt. v. 11.12.2018 - III R 26/18
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper