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Einkommensteuer -

Kindergeld: Wann greift die Auszahlungsbeschränkung?

Nach § 70 EStG wird festgesetztes Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Der BFH hat die Auszahlungsbeschränkung ausgelegt. Für die zeitliche Anwendung kommt es demnach nicht auf die Entstehung des Kindergeldanspruchs, sondern auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags (nach dem 18.07.2019) an.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 25.04.2024 (III R 27/22) entschieden, dass die Begrenzung der rückwirkenden Auszahlung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG auf die letzten sechs Monate vor Antragstellung nicht zu beanstanden ist. 

Der Gesetzgeber war insoweit nicht verpflichtet, eine Übergangsregelung oder Billigkeitsregelung einzuführen, da es sich bei § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nur um die zuvor in § 66 Abs. 3 EStG enthaltene Regelung handelt, welche ebenfalls lediglich eine sechsmonatige rückwirkende Festsetzung des Kindergeldes gestattete.

Sachlage im Streitfall

Der Kläger beantragte am 05.08.2019 die Festsetzung und Auszahlung von Kindergeld für seine Stieftochter rückwirkend für ein Jahr. 

Die Familienkasse bewilligte das Kindergeld für den Zeitraum August 2018 bis Oktober 2019, beschränkte aber die Auszahlung auf die Monate Februar 2019 bis Oktober 2019. 

Die Familienkasse verwies diesbezüglich auf die Sechsmonatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG, die für Anträge gilt, die nach dem 18.07.2019 eingehen. Da der Antrag des Klägers erst nach dieser Frist eingegangen war, lehnte die Familienkasse den Antrag des Klägers ab.

Auch der nachfolgende Einspruch des Klägers gegen die Ablehnung von Seiten der Familienkasse blieb ohne Erfolg. Nach erfolglosem Verfahren vor dem Finanzgericht sah schließlich der BFH die Revision des Klägers als unbegründet an und wies diese zurück.

Rückwirkende Auszahlung des Kindergeldes

Für Eltern und Erziehungsberechtigte besteht Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld ab dem Monat der Geburt des Kindes. Für die Auszahlung ist ein entsprechender Antrag erforderlich. 

Mit der Neufassung der Regelung in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG wurde die rückwirkende Auszahlung des Kindergeldes begrenzt. Durch diese Neuregelung wurde die Regelung des § 66 Abs. 3 EStG ersetzt, wonach die rückwirkende Festsetzung des Kindergeldes jenseits der Sechsmonatsfrist ausgeschlossen ist. 

Zwar kann weiterhin eine Beantragung und Festsetzung des Kindergeldes im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten auch rückwirkend erfolgen. Die rückwirkende Auszahlung des Kindergeldes ist und bleibt hingegen auf die letzten sechs Monate vor Antragstellung begrenzt.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Der Kläger führt im Hinblick auf die zeitliche Anwendung der Neuregelung des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG bzgl. der rückwirkenden Auszahlung des Kindergeldes an, dass ausschließlich die Entstehung des Kindergeldanspruchs maßgeblich sei und nicht der Zeitpunkt der Antragstellung. 

Diese Auffassung lehnt der BFH jedoch ab. Der Gesetzgeber stellt in der Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nur auf den Antragszeitpunkt und nicht auf den Entstehungszeitpunkt der Steuer ab. 

Auch eine Übergangsregelung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dass die Familienkasse somit nur für die letzten sechs Monate vor Antragstellung das Kindergeld ausgezahlt hat, war nicht zu beanstanden.

Der BFH hält diese gesetzliche Regelung auch nicht für willkürlich, sondern sachlich gerechtfertigt. 

Da der Tatbestand des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG auf ein bestimmtes Verhalten des Kindergeldberechtigten (nämlich die Antragstellung) abstellt und hieran Rechtsfolgen knüpft, ist es auch sachlich nicht zu beanstanden, die Regelung über den zeitlichen Anwendungsbereich dieser Norm hinaus von dem Zeitpunkt der Antragstellung abhängig zu machen. 

Nach der Einführung der Regelung hatte der Gesetzgeber zudem eine sechsmonatige Übergangsfrist eingeführt. Dadurch verblieb bei Einführung der Ausschlussfrist ein Übergangszeitraum, um nicht festsetzungsverjährte Ansprüche für vergangene Monate geltend zu machen.

Praxishinweis

Der BFH beanstandet somit nicht die sechsmonatige Frist für die rückwirkende Auszahlung des Kindergeldes nach der Antragstellung. 

Bei dem Übergang eines Kindes insbesondere zwischen zwei Ausbildungsabschnitten sollte daher zeitnah geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Beantragung des Kindergeldes vorliegen. Es sollte dann unverzüglich ein entsprechender Antrag gestellt werden, um die Frist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG einzuhalten.

BFH, Urt. v. 25.04.2024 – III R 27/22

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