Wann sind in der Bilanz Rückstellungen zu bilden? Der BFH hat entschieden, dass für die Verpflichtung eines Arbeitgebers, Altersfreizeit unter der Bedingung zu gewähren, dass Arbeitnehmer mindestens zehn Jahre dem Betrieb angehört und das 60. Lebensjahr vollendet haben, eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden ist. Ausschlaggebend ist hierbei eine wirtschaftliche Betrachtung.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Grundsätze für die Bildung von Rückstellungen aufgrund von Altersfreizeit mit seiner Entscheidung vom 05.06.2024 (IV R 22/22) weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Kläger ist das Unternehmen U. Dessen Arbeitnehmern stand nach den einschlägigen tarifvertraglichen Vorschriften zusätzliche bezahlte Freizeit in Form von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr der Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten.
Mit dem Finanzamt (FA) entstand Streit darüber, ob U dafür eine Rückstellung zu passivieren hat. Das Finanzgericht gab dem Kläger recht. Auch der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Begründung im Besprechungsfall
Eingangs stellt der BFH fest, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten auch für Arbeitsverhältnisse gelten. Entscheidend ist also, ob ein Erfüllungsrückstand auf Seiten von U besteht.
Der Verpflichtete muss sich mit seinen Leistungen gegenüber dem Vertragspartner im Rückstand befinden, also weniger geleistet haben, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hätte.
Die Frage nach dem Vorliegen eines Erfüllungsrückstands ist anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung jeweils im Einzelfall zu beurteilen.
Besteht ein Erfüllungsrückstand und ist dessen Höhe sicher, so ist dafür eine Verbindlichkeit auszuweisen. Ist hingegen die noch zu erfüllende Leistung der Höhe nach ungewiss, ist eine Rückstellung zu bilden.
Vor diesem Hintergrund geht der BFH davon aus, dass die Rückstellung zu Recht zu bilden war. Denn es besteht eine nur der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit von U auf Gewährung von Altersfreizeit, soweit die betroffenen Arbeitnehmer bereits das Merkmal der mindestens zehnjährigen Betriebszugehörigkeit erfüllt und das 60. Lebensjahr vollendet haben.
Die Verbindlichkeit beruht auf der (bindenden) Regelung des Manteltarifvertrags. Auch für eine erst in der Zukunft entstehende Verbindlichkeit muss eine Rückstellung gebildet werden.
Soweit die beiden vorgenannten Bedingungen noch nicht erfüllt sind, ist das künftige Entstehen einer Verbindlichkeit auf Gewährung von Altersfreizeit dem Grunde nach hinreichend wahrscheinlich.
Denn es sprechen mehr Gründe für als gegen das Entstehen der Verbindlichkeit. Der Anspruch der Arbeitnehmer ist durch ihre Arbeitsleistung zum Teil aufschiebend bedingt durch eine mindestens zehnjährige Betriebszugehörigkeit und durch die Vollendung des 60. Lebensjahrs entstanden und somit erdient bzw. realisiert.
Die Altersfreizeit gilt vergangene Arbeitsleistung ab und kann dieser zweckgerichtet und zeitlich zugeordnet werden. Das gilt jedenfalls bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise.
Durch die Anknüpfung an die Dauer der Betriebszugehörigkeit handelt sich bei der Altersfreizeit um ein Entgelt für während der vorangegangenen Zeit erbrachte Arbeitsleistung sowie für die Nichtausübung des Kündigungsrechts.
Die Arbeitnehmer haben dadurch eine Vorleistung erbracht. Hingegen muss U seine Gegenleistung in Gestalt der Altersfreizeit noch erbringen.
Der Arbeitgeber hat am Bilanzstichtag weniger geleistet, als er nach dem Arbeitsvertrag und den Bestimmungen des Manteltarifvertrags zu leisten verpflichtet ist. Insofern befindet U sich in einem Erfüllungsrückstand.
Praxishinweis
Der BFH hat die Grundsätze für die Bildung von Rückstellungen bei Altersfreizeit dahingehend konkretisiert, dass für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gewährung von Altersfreizeit, die unter den Bedingungen einer mindestens zehnjährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitsnehmers sowie der Vollendung dessen 60. Lebensjahrs steht, eine Rückstellung für Verbindlichkeiten in ungewisser Höhe zu bilden ist.
BFH, Urt. v. 05.06.2024 - IV R 22/22