Wie müssen Lieferungen in der Rechnung bezeichnet werden, damit ein Vorsteuerabzug möglich ist? Der BFH hat ernstliche Zweifel, ob im Niedrigpreissegment eine Leistungsbeschreibung erforderlich ist, die die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung angibt, oder ob insoweit die Angabe der Warengattung ausreicht. Der BFH gewährte im Streitfall vorläufigen Rechtsschutz.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 14.03.2019 entschieden, dass ernstlich zweifelhaft ist, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen im Niedrigpreissegment voraussetzt, dass hinsichtlich der Leistungsbeschreibung die Art der gelieferten Gegenstände mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung angegeben werden muss, oder ob auch die Angabe der Warengattung wie z.B. „Hose, Bluse oder Pulli“ ausreichend sei.
Dabei hat der BFH im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes einen Beschluss des Hessischen Finanzgerichts (FG) aufgehoben und die Vollziehung der streitigen Umsatzsteuerbescheide ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt.
Sachlage im Streitfall
Die Steuerpflichtige war in den Streitjahren im Großhandel mit Textilien und Modeaccessoires im Niedrigpreissegment tätig. Dabei wurden Waren jeweils in großen Mengen eingekauft. Die Preise des jeweiligen Artikels lagen überwiegend im unteren bzw. mittleren einstelligen Eurobereich und nur vereinzelt zwischen 10 € und 12 €.
In ihren Umsatzsteuererklärungen machte die Steuerpflichtige die Vorsteuerabzugsbeträge aus den Rechnungen unterschiedlicher Unternehmen geltend. In den jeweiligen Rechnungen waren die Artikel lediglich mit Angaben wie „Tunika, Hose oder Bluse“ etc. bezeichnet. Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren und erhobener Klage beantragte die Steuerpflichtige Aussetzung der Vollziehung (AdV) der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide. Diesen Antrag lehnte das zuständige FG ab. Der BFH gab dem Antrag auf AdV jedoch statt, da an der Versagung des Vorsteuerabzugs aus den streitgegenständlichen Rechnungen ernstliche Zweifel bestünden.
Wann ist ein Verwaltungsakt auszusetzen?
Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ist vollständig oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts bestehen. Diese liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids genauso viel für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids wie für dessen Rechtswidrigkeit spricht.
Ernstliche Zweifel können aber auch dann bestehen, wenn die streitige Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.
Leistungsbeschreibung als Erfordernis für den Vorsteuerabzug
Grundsätzlich kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Für den Vorsteuerabzug ist erforderlich, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt und diese nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG u.a. die Art der gelieferten Gegenstände, also die handelsübliche Bezeichnung enthält.
Nach Auffassung des BFH folgen nun bereits aus dem Umstand ernsthafte Zweifel, dass bislang zu den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung im Niedrigpreissegment noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen ist und diese Frage in der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedlich beantwortet wurde.
Teilweise wird für ausreichend erachtet, dass bei Großeinkäufen von Billigartikeln die Angabe der Gattung mit Stückzahl ausreichend sei; andere vertreten hingegen, dass im Niedrigpreissegment die bloße Angabe einer Gattung für eine hinreichende Leistungsbeschreibung nicht genüge. Notwendig sei vielmehr eine weitergehende Umschreibung der Ware über die Herstellerangabe, die Eigenmarke, den Modelltyp oder unter Bezugnahme auf eine Artikel- oder Chargennummer.
Schließlich können sich auch ernsthafte Zweifel aus einem Verstoß gegen das Unionsrecht ergeben. Dieses fordert nämlich, anders als das nationale Recht, hinsichtlich der Art des Gegenstands nicht eine handelsübliche Bezeichnung, sondern nur die Angabe der Art der gelieferten Gegenstände.
Praxishinweis
Der BFH hat mit seinem Beschluss die aktuellen Voraussetzungen für das Erlangen des Vorsteuerabzugs bei Massenlieferungen dargestellt. Dabei führt er aus, dass beispielsweise bei hochpreisigen Uhren eine Gattungsbezeichnung als Leistungsbeschreibung nicht ausreichend sei.
Im Fall von Lieferungen im Niedrigpreissegment ergeben sich jedoch ernsthafte Zweifel, ob auch in einem solchen Fall konkrete Leistungsbeschreibungen erforderlich sind. Betroffene Steuerpflichtige sollten sich auf das unter dem Az. XI R 2/18 geführte Revisionsverfahren beim BFH berufen.
BFH, Beschl. v. 14.03.2019 - V B 3/19
Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper