Welche Angaben müssen Rechnungen für den Vorsteuerabzug enthalten? Der BFH hat seine Rechtsprechung infolge eines EuGH-Urteils geändert und den Vorsteuerabzug erleichtert. Demnach muss eine Rechnung nur eine Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten, unter der dieser postalisch erreichbar ist. Es ist nicht mehr erforderlich, dass der leistende Unternehmer seine Tätigkeit dort auch ausübt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei aktuellen Entscheidungen dazu Stellung genommen, welche Anforderungen für eine Rechnung i.S.d. § 14 Abs. 4 UStG gelten.
In einem der beiden Streitfälle kaufte ein Autohändler u.a. Fahrzeuge von einem Lieferanten, der seine Rechnungen unter einer deutschen Adresse ausstellte, die nach Ansicht des Finanzamts lediglich eine Scheinanschrift darstellte. Denn der Lieferant hatte zwar Räumlichkeiten im Inland angemietet, vertrieb seine Fahrzeuge aber ausschließlich im Onlinehandel.
Die Fahrzeuge wurden dem Autohändler oder seinen Mitarbeitern an verschiedenen Stellen übergeben. Post für den Lieferanten gelangte zum Büro, in dem auch die Akten geführt wurden, und wurde dort sortiert sowie bearbeitet. Außen am Gebäude befand sich ein Firmenschild des Lieferanten. Ob sich dort auch ein Briefkasten befand, blieb ungeklärt. Jedenfalls wurde der Lieferant dort auch beim Finanzamt geführt. Dennoch war das Finanzamt der Auffassung, dass Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen des Lieferanten nicht in Abzug gebracht werden können.
Im anderen Streitfall bezog ein inländischer Schrotthändler in mehreren Einzellieferungen Stahlschrott von einem deutschen Vertragspartner, von dem er dafür eine Rechnung per Fax erhielt – unter Ausweis der Umsatzsteuer mit Angabe einer inländischen Anschrift, Steuernummer und Bankverbindung. Der Schrott wurde von einem Lkw mit ungarischem Kennzeichen zum Schrotthändler gebracht.
Der Sitz des Vertragspartners war laut Eintragung im Handelsregister unter derselben Anschrift wie die Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei, die dem Vertragspartner einen Briefkasten stellte sowie die Mitnutzung der Telefonanlage mit eigener Festnetz- und Faxnummer erlaubte. Jedoch besaß der Vertragspartner im Inland weder ein Lager noch eigene Lkw. Das Finanzamt versagte auch in diesem Fall den Vorsteuerabzug.
Vollständige Anschrift als Voraussetzung des Vorsteuerabzugs
In beiden Fällen war unstreitig, dass Lieferungen erbracht worden waren, die im Inland steuerpflichtig waren. Unklar war lediglich, ob die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Rechnung erfüllt waren – und zwar insbesondere, ob auf den Rechnungen jeweils die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers angegeben war.
Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH wurde das Merkmal „vollständige Anschrift“ in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nur durch die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers erfüllt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Die Angabe eines „Briefkastensitzes“ mit nur postalischer Erreichbarkeit, an dem im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfanden, reichte danach als zutreffende Anschrift nicht aus.
Hieran hält der Senat nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH; 15.11.2017, EU:C:2017:867) aber nicht mehr fest und ändert seine Rechtsprechung. Demnach sind § 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine Rechnung, die zum Vorsteuerabzug berechtigt, eben nicht voraussetzt, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der in der Rechnung angegebenen Anschrift ausgeübt werden. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
Diese Voraussetzung erfüllten in beiden Streitfällen alle in Frage stehenden Rechnungen, denn beide leistenden Unternehmer – der Autolieferant ebenso wie der Vertragspartner des Schrotthändlers – hatten unter der von ihnen angegebenen Rechnungsanschrift Post erhalten.
Weil bei den Autokäufen nicht geklärt war, ob einige von ihnen nicht auch am Wohnsitz des Lieferanten in Frankreich zu versteuern sind, hob der BFH das Urteil auf und verwies es zurück an die Vorinstanz. Beim Fall des Schrotthändlers waren keine weiteren Gesichtspunkte ersichtlich, die den Vorsteuerabzug ausschlossen, so dass ihm der Vorsteuerabzug zu gewähren war.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs geändert und ist damit dem EuGH gefolgt. Dies ist konsequent und entspricht der Tatsache, dass der EuGH für derartige Fragen die oberste Instanz ist. Steuerberater müssen also künftig bei den Vertragspartnern ihrer unternehmerischen Mandanten darauf achten, dass diese an der angegebenen Anschrift erreichbar sind. Im Zweifel muss ein Brief übersandt werden, mit dem die Erreichbarkeit überprüft wird. Das Urteil ist im Sinne des gutgläubigen Rechtsverkehrs zu begrüßen.
BFH, Urt. v. 21.06.2018 - V R 25/15
BFH, Urt. v. 21.06.2018 - V R 28/16
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht