Welche Aufzeichnungspflichten sind bei der Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) zu beachten? Nach dem BFH hängt dies davon ab, inwieweit solche Pflichten ausdrücklich in den einzelnen Steuergesetzen vorgegeben sind. Wenn im Rahmen einer Außenprüfung zur Vorlage von Aufzeichnungen aufgefordert wird, gilt: Freiwillig geführte Unterlagen und Daten unterliegen nicht dem Datenzugriff des Finanzamts.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung vom 12.02.2020 (X R 8/18) dazu Stellung genommen, welche Aufzeichnungspflichten bei der Einnahmenüberschussrechnung zu erfüllen sind.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der Kläger A ist als Maler tätig und ermittelte seinen Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung. Das Finanzamt (FA) ordnete eine Außenprüfung an und forderte A auf, einen Fragebogen zum EDV-System auszufüllen. Daneben verlangte das FA die Überlassung von nicht näher bezeichneten „Datenträgern“.
Im Fragebogen des FA wurde angekreuzt, dass digitale Daten, auf welche bei der Außenprüfung zurückgegriffen werden könnte, nicht vorlägen. Handschriftlich wurde ergänzt, dass A nicht buchführungspflichtig sei und eine elektronische Kasse nicht existiere. Bareinnahmen lägen kaum vor. Die Belege sind ausschließlich in Papierform archiviert worden, das Archivierungssystem besteht aus Ordnern.
Ausgangs- und Eingangsrechnungen sowie Kontoauszüge und die gesetzlichen Aufzeichnungen nach dem UStG werden A zur Prüfung vorgelegt. Im Einspruchsverfahren gegen das Vorlageverlangen des FA legte A die elektronischen Aufzeichnungen u.a. für seine Betriebseinnahmen (einschließlich Umsatzsteuer sowie Privatanteile) vor.
Für nahezu sämtliche Betriebsausgaben legte er lediglich Papierbelege vor. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Der BFH folgte dem.
Aufbewahrungspflicht und Vorlageverlangen für die angeforderten Unterlagen
Einleitend stellt der BFH fest, dass die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen ein Verwaltungsakt ist, der mit dem Einspruch und der Anfechtungsklage angefochten werden kann. Voraussetzung für die Datenanforderung ist das Bestehen einer Aufbewahrungspflicht.
Der Finanzbehörde stehen diese Befugnisse daher nur in Bezug auf jene Unterlagen zu, welche der Steuerpflichtige aufzubewahren hat. Dementsprechend ist es bereits grundsätzlich ausgeschlossen, dass die Finanzverwaltung mittels Datenzugriffs Einsicht in Unterlagen verlangen kann, die zwar vorhanden sind, aber vom Steuerpflichtigen nicht aufbewahrt werden müssen.
Vom Datenzugriffsrecht zu unterscheiden ist das Vorlageverlangen. Hiernach ist ein Steuerpflichtiger im Rahmen der Außenprüfung u.a. zur Vorlage von Aufzeichnungen, ggf. Büchern, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verpflichtet.
Auch Unterlagen, für die keine Aufbewahrungspflicht besteht, sind, soweit sie vorhanden sind, vorzulegen. Allerdings bezieht sich diese Vorlagepflicht des Steuerpflichtigen regelmäßig auf die typischerweise erwartbaren Unterlagen. Anders als im Fall des Datenzugriffs wird dieser Pflicht schon durch die Vorlage von Unterlagen in Papierform Genüge getan.
Sachlich ist die Aufbewahrungspflicht akzessorisch zur Aufzeichnungspflicht. Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, welche nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten im Zusammenhang stehen, besteht nicht. Dies gilt erst recht für den Zugriff auf elektronisch gespeicherte Daten.
Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, begrenzt die Akzessorietät der Aufbewahrungspflichten zu den Aufzeichnungspflichten auch bei ihm den Datenzugriff und damit die Vorlagepflicht von Unterlagen in elektronischer Form.
Eine ordnungsgemäße Überschussrechnung setzt lediglich voraus, dass die Höhe der Betriebseinnahmen bzw. der Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen wird; eine förmliche Aufzeichnungspflicht besteht ebenso wie eine Aufbewahrungspflicht der Belege in elektronischer Form nicht.
Die Aufbewahrungspflicht betrifft Steuerpflichtige mit einer Einnahmenüberschussrechnung damit nur, soweit aus anderen Gründen zu Besteuerungszwecken Aufzeichnungen gefordert werden, etwa aufgrund weiterer Steuergesetze, wie z.B. gem. § 4 Abs. 3 Satz 5, Abs. 7 EStG und gem. § 22 UStG.
Ungeachtet der Aufzählung gehören u.a. Unterlagen und Daten, die „freiwilligen“, also über die gesetzliche Pflicht hinausreichenden Aufzeichnungen zuzuordnen sind, nicht zu den Unterlagen und Daten, die unter die Aufbewahrungspflicht fallen und folglich dem Datenzugriff unterliegen.
„Freiwilligen Aufzeichnungen“, d.h. im Fall der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG die (z.B. aus internen Gründen) über die erforderlichen Aufzeichnungen hinausgehend geführten Bücher und Aufzeichnungen, kommen jedenfalls für die Besteuerung des A keine Bedeutung zu.
Mangels Vorlagepflicht verletzt A deshalb anders als bei Papierbelegen nicht seine Mitwirkungspflichten im Rahmen der Außenprüfung, wenn er dem Prüfer freiwillig (elektronisch) geführte Unterlagen nicht elektronisch zur Verfügung stellt. Dies gilt erst recht in Bezug auf die Überlassung auf einem vom FA geforderten Datenträger.
Soweit sich das FA auf eine stark eingeschränkte Prüfungsmöglichkeit einer Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung beruft, lässt der BFH dies nicht gelten.
Denn zum einen bleibt die Prüfung anhand der vom Steuerpflichtigen vorzulegenden Daten möglich, zum anderen kann, soweit der Steuerpflichtige weitere Belege und Unterlagen in Papierform zu übergeben hat, eine, wenn auch aufwendigere, Überprüfung stattfinden. Diese Prüfung ist nicht zwangsläufig auf Stichproben zu beschränken.
Dies hält der BFH auch vor dem Hintergrund für zutreffend, dass die Prüfung eines Steuerpflichtigen, welcher seinen Gewinn durch einen Betriebsvermögensvergleich ermittelt, aufgrund der (neuen) elektronischen Prüf- und Auswertungsprogramme aus Sicht der Finanzverwaltung weitgehender und schneller möglich sein mag.
Dies rechtfertigt jedoch keine Anforderungen, die hinsichtlich der Art und Weise über das Gesetz hinausgehen.
Reine Zweckmäßigkeitsüberlegungen der Finanzverwaltung, welche ihrer neuen Arbeitsweise bei Außenprüfungen geschuldet sind, dürfen zu keinem anderen Ergebnis führen.
Anwendung dieser Grundsätze auf den Besprechungsfall
Ausgehend von diesen höchstrichterlichen Grundsätzen stuft der BFH das Vorgehen des FA als rechtswidrig ein, weil es die Vorlage eines maschinell verwertbaren Datenbestands auf Datenträger ohne Beschränkung auf die für den A geltenden gesetzlichen Aufzeichnungspflichten verlangt hat.
Der nicht buchführungspflichtige A unterliegt lediglich begrenzten Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Die Zugriffsbefugnis des FA auf maschinell lesbare und verwertbare Datenträger ist folglich ebenfalls entsprechend der für ihn geltenden steuergesetzlichen Aufzeichnungspflichten begrenzt.
So hat A etwa die gem. § 22 UStG zu führenden elektronischen Aufzeichnungen über die vereinbarten Entgelte je Leistung nach Steuersätzen, die Entgelte für die ausgeführten Bauleistungen gem. § 13b UStG, die Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch und die geltend gemachten Vorsteuerbeträge mit Bezeichnung des Leistenden vorzulegen. Dem ist A nachgekommen.
Darüber hinaus ist A zur Vorlage von besonderen und laufend zu führenden Verzeichnissen der nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens sowie der Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens verpflichtet.
Auch zur Vorlage digitaler Aufzeichnungen für den Aufwandsposten „geringwertige Wirtschaftsgüter“ bzw. entsprechender Sammelposten besteht bei der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG eine Verpflichtung, welcher A ebenfalls nachgekommen ist.
Der Steuerpflichtige, der seinen Gewinn gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, hat außerdem etwa die Daten über den Wareneingang gesondert aufzuzeichnen; auch insoweit ist A dem Vorlageverlangen des FA nachgekommen.
Unabhängig davon, ob darüber hinaus weitere Vorlagepflichten von elektronischen Belegen, etwa in Bezug auf die vorsteuerbehafteten Betriebsausgaben oder den Investitionsabzugsbetrag, bestehen, geht das Vorlageverlangen des FA jedenfalls über die eingeräumte Befugnis schon deshalb hinaus, weil es unbegrenzt ist und nachträglich nicht im Wege der Auslegung auf den gesetzlich zulässigen Regelungsgegenstand der Einsichtnahme eingeschränkt werden kann.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass die Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten in Abhängigkeit von der Gewinnermittlungsart des Steuerpflichtigen unterschiedlich sind. Die Datenanforderung gem. § 147 Abs. 6 AO ist akzessorisch zur Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht des Steuerpflichtigen.
Bei der Gewinnermittlung durch eine Einnahmenüberschussrechnung sind Aufzeichnungen nur aufzubewahren, soweit dies aufgrund anderer Steuergesetze gefordert ist, z.B. gem. § 4 Abs. 3 Satz 5, Abs. 7 EStG und gem. § 22 UStG. „Freiwillig“ geführte Unterlagen und Daten unterliegen dabei nicht dem Datenzugriff gem. § 147 Abs. 6 AO. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung diesen Grundsätzen folgen wird.
BFH, Urt. v. 12.02.2020 - X R 8/18
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht