Wann liegt bei einem durch einen Freiberufler an eine Kapitalgesellschaft überlassenen Mandantenstamm eine Betriebsaufspaltung vor? Und wann ergeben sich gewerbliche Einkünfte? Der BFH hat die Voraussetzungen für Begründung und Beendigung einer Betriebsaufspaltung verdeutlicht. Demnach entstehen etwa gewerbliche Einkünfte, wenn ein funktional wesentlicher Mandantenstamm verpachtet wird.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob aus der Veräußerung eines Mandantenstamms eines Freiberuflers eine Betriebsaufspaltung entstehen kann.
Ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater war in seiner eigenen Kanzlei und zudem als alleiniger Gesellschafter der A-GmbH tätig. Zu einem bestimmten Stichtag brachte er das Anlagevermögen, die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie die Passiva seiner Einzelpraxis in die A-GmbH ein.
Nach der Präambel des Einbringungs- und Nutzungsvertrags wollte er das betriebliche Anlage- und Umlaufvermögen zur Neuordnung seines Einzelunternehmens übertragen und in diesem danach nur noch höchstpersönliche Tätigkeiten ausüben (z.B. Gutachten, Testamentsvollstreckungen und als Liquidator).
Der Mandantenstamm der Einzelkanzlei wurde nicht übertragen, sondern entgeltlich an die A-GmbH verpachtet. Die vereinbarte Pacht konnte die A-GmbH aufgrund angespannter Liquiditätslage in der Folgezeit jedoch nicht zahlen. Daher übertrug der Wirtschaftsprüfer den Mandantenstamm auf die B-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter seinerzeit eine GbR bestehend aus ihm und einem weiteren Steuerberater war. Der Kaufpreis war in einem Betrag von 90.000 € und in monatlichen Raten über zehn Jahre zu zahlen.
Eine Betriebsprüfung beim Wirtschaftsprüfer vertrat die Auffassung, durch die Verpachtung des Mandantenstamms an die A-GmbH sei eine Betriebsaufspaltung zwischen ihr und dem Wirtschaftsprüfer begründet worden. Dies habe zu einem gewerblichen Besitzunternehmen neben dem freiberuflichen Einzelunternehmen geführt. Durch die Veräußerung des Mandantenstamms an die B-GmbH sei diese Betriebsaufspaltung zwangsweise beendet worden, da die sachliche Verflechtung entfallen sei. Daher seien Pachteinnahmen anzusetzen und ein Aufgabegewinn zu erfassen.
Das Finanzgericht (FG) ging von einem Veräußerungsgewinn aus der Übertragung des Mandantenstamms an die B-GmbH aus. Der BFH teilte diese Auffassung lediglich teilweise.
Begründung einer Betriebsaufspaltung
Nach Ansicht des BFH ist zwischen dem Wirtschaftsprüfer und der A-GmbH eine Betriebsaufspaltung entstanden. Veräußert – wie im Streitfall – ein Steuerberater sein bewegliches Betriebsvermögen mit Ausnahme des Mandantenstamms, der i.d.R. das werthaltigste Wirtschaftsgut seines Betriebsvermögens darstellt, an eine von ihm gegründete GmbH, kann der Mandantenstamm Gegenstand eines Pachtvertrags zwischen Berater und Beratungs-GmbH sein.
Die entgeltliche Nutzungsüberlassung des Mandantenstamms an die A-GmbH führte zu einer sachlichen Verflechtung, da der Mandantenstamm eine, wenn nicht gar die wesentliche Betriebsgrundlage einer Steuerberaterkanzlei ist. Zwischen dem Wirtschaftsprüfer und der A-GmbH bestand auch eine personelle Verflechtung, da er Alleingesellschafter der A-GmbH war.
Das Besitzunternehmen, zu dessen Betriebsvermögen der zur Nutzung überlassene Mandantenstamm und seine Beteiligung an der A-GmbH gehörten, bildete ein gewerbliches Einzelunternehmen, das neben dem fortbestehenden freiberuflichen Einzelunternehmen des Klägers bestand.
Rechtsfolgen der Begründung einer Betriebsaufspaltung
Die Einkünfte des Wirtschaftsprüfers aus der Vermietung des Mandantenstamms an die A-GmbH sind mangels einer insoweit ausgeübten leitenden und eigenverantwortlichen steuerberatenden Tätigkeit keine Einkünfte gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Bei einem Einzelunternehmer, der sowohl als freiberuflich als auch als gewerblich zu beurteilende Tätigkeiten ausübt, sind diese Tätigkeiten soweit wie möglich getrennt zu betrachten und jeweils einer Einkunftsart zuzuordnen. Das gilt selbst dann, wenn zwischen den Tätigkeiten sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte bestehen, sofern die Verflechtung nicht so eng ist, dass sich die Tätigkeiten gegenseitig unlösbar bedingen.
Wenn allerdings beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, liegt eine einheitliche Tätigkeit (gemischte Tätigkeit ohne Trennungsmöglichkeit) vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element dominiert.
Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Freiberufler gewerbliche Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung eines Mandantenstamms neben einer fortgeführten freiberuflichen Tätigkeit erzielt. Damit sind die gewerblichen Einkünfte aus der Überlassung des Mandantenstamms an die A-GmbH von den Einkünften, die im freiberuflichen Einzelunternehmen erzielt wurden, abgrenzbar und werden daher in einem eigenständigen gewerblichen Besitzunternehmen erzielt. Aus diesem Grund betrieb der Wirtschaftsprüfer mit Begründung der Betriebsaufspaltung ein eigenständiges gewerbliches Besitzunternehmen neben seiner freiberuflichen Einzelkanzlei.
Beendigung der Betriebsaufspaltung
Die Betriebsaufspaltung wurde jedoch wieder beendet, da der Mandantenstamm als einzige wesentliche Betriebsgrundlage, die der A-GmbH zur Nutzung überlassen wurde, an die B-GmbH veräußert wurde. Hierdurch wurde eine zwangsweise Betriebsaufgabe des gewerblichen Besitzunternehmens ausgelöst: Entfallen die sachliche oder die personelle Verflechtung, führt dies zur Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens.
Dies gilt auch, wenn sämtliche Wirtschaftsgüter, die vom Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft verpachtet wurden, veräußert und infolgedessen fortan keine wesentlichen Betriebsgrundlagen mehr an die Betriebs-GmbH zur Nutzung überlassen werden.
In der Aufgabebilanz des Besitzunternehmens hatte der Wirtschaftsprüfer gem. § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG den Veräußerungspreis aus der Übertragung des Mandantenstamms an die B-GmbH mit dem vollen Nennwert zu erfassen.
Denn ein in der Aufgabebilanz zu erfassender Veräußerungspreis wird grundsätzlich in vollem Umfang realisiert, unabhängig davon, ob der Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist, und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Da das FG den Veräußerungsgewinn nicht im zutreffenden Jahr erfasst hatte, hob der BFH die Entscheidung des FG auf und entschied selbst.
Praxishinweis
Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung durch Überlassung eines Mandantenstamms an eine Kapitalgesellschaft weiter konkretisiert. Dies führt nun grundsätzlich zu gewerblichen Einkünften, wenn der Freiberufler in seiner Einzelpraxis nicht auch noch gleichzeitig eine freiberufliche Tätigkeit ausübt, die schwer trennbar von der Tätigkeit in der Gesellschaft ist, die den Mandantenstamm nutzt. Jeder Berater sollte seinen Mandantenstamm daraufhin prüfen, ob er vergleichbare Gestaltungen betreut, und ggf. die steuerliche Behandlung ändern.
BFH, Urt. v. 21.11.2017 - VIII R 17/15
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht