In welcher Höhe kann eine „Führungsholding“ einen Vorsteuerabzug vornehmen, wenn sie Beteiligungen an Tochtergesellschaften erwirbt? Der BFH hat entschieden, dass in diesem Zusammenhang ein voller Vorsteuerabzug möglich ist. Die BFH-Richter haben zudem die Frage geklärt, wann eine GmbH & Co. KG im Rahmen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft als eine „Organgesellschaft“ anzusehen ist.
Der BFH hat sich am 19.01.2016 zu zwei Rechtsfragen im Rahmen der Umsatzsteuer geäußert, die zuvor schon Gegenstand von Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof waren. Hierbei ging es um die Möglichkeit einer sogenannten Führungsholding zum Vorsteuerabzug und die Frage einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.
Vorsteuer bei Führungsholding
Eine Führungsholding erbringt gegenüber ihren Tochtergesellschaften geschäftsleitende und ggf. sonstige administrative und kaufmännische Leistungen gegen Entgelt. Dem gegenüber steht eine Finanzholding, deren Tätigkeit sich lediglich auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen beschränkt. Eine reine Finanzholding ist grundsätzlich keine Unternehmerin nach § 2 Abs. 1 UStG. Eine Führungsholding dagegen ist als umsatzsteuerliche Unternehmerin anzusehen. Auch für den Bereich der Beteiligungen und Kosten, die z.B. im Zusammenhang mit dem Erwerb von diesen Beteiligungen stehen, steht ihr der volle Vorsteuerabzug zu. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 16.07.2015 entschieden.
Im Urteilsfall vom 19.01.2016 erbrachte eine Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaften, diese jeweils in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, verschiedene kaufmännische und administrative Leistungen. Außerdem erwarb sie auch Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung und dem Erwerb der Tochtergesellschaften (z.B. Beratungsleistungen für die Erstellung eines Ausgabeprospekts und weitere Rechtsberatungsleistungen).
Das Finanzamt wollte lediglich einen anteiligen Vorsteuerabzug gewähren, da die Vorsteuer auf die Kosten für die Beteiligungsverwaltung nach seiner Ansicht nicht abzugsfähig waren. Der BFH orientierte sich allerdings an der Rechtsprechung des EuGH, der diese Vorsteuerabzugsbeträge im Ergebnis als Teil der allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit angesehen hat. Allerdings wurde eingesammeltes Kapital auch angelegt und daraus entstanden Zinserträge. Hierbei handelt es sich wiederum um steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 8 UStG, weshalb die Vorsteuerbeträge, die auf die Aufwendungen in Zusammenhang mit der Kapitalanlage standen, nur entsprechend anteilig abgezogen werden konnten.
GmbH & Co. KG als Organgesellschaft
Durch die umsatzsteuerliche Organschaft entsteht bei verbundenen Unternehmen eine Besteuerungseinheit. Hierbei wird dann die Obergesellschaft als Organträger Steuerschuldnerin auch für die Umsätze ihrer Organgesellschaften. Voraussetzungen sind die finanzielle Eingliederung (regelmäßig Anteilsmehrheit der Organträgerin an der Organgesellschaft), die wirtschaftliche Eingliederung (nicht nur geringfügige Leistungsbeziehungen zwischen Organträgerin und Organträger) und die organisatorische Eingliederung (insbesondere Personenidentität bei Geschäftsführung). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG muss es sich bei der Organgesellschaft um eine juristische Person handeln. Hierzu hatte der EuGH im Urteil vom 16.07.2015 entschieden, dass eine GmbH & Co. KG als Organgesellschaft grundsätzlich möglich ist. Der BFH schließt sich dieser Ansicht nun an.
Praxishinweis
Auch wenn eine GmbH & Co. KG nun Organgesellschaft sein kann, muss nach dem Verständnis des BFH auch in diesem Fall weiterhin eine Anteilsmehrheit des Organträgers vorliegen. Außerdem müssen auch die weiteren Voraussetzungen wie wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung vorliegen. Eine umsatzsteuerliche Organschaft wird durch die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestände begründet; demnach kann diese auch ohne Wissen des Steuerpflichtigen vorliegen. Eine unentdeckte umsatzsteuerliche Organschaft kann zu Korrekturen führen – dieses Risiko wird nun grundsätzlich durch die Ausweitung der Organgesellschaft auf die Rechtsform der GmbH & Co. KG größer. Insbesondere im Rahmen der organisatorischen Eingliederung kann hier ein Ansatzpunkt sein, um eine Organschaft zu verhindern. Es müsste dann dafür gesorgt werden, dass keine personelle Verflechtung besteht.
BFH, Urt. v. 19.01.2016 – XI R 38/12
EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-108/14
EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-109/14
Quelle: StB, Diplom-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann