Unter welchen Voraussetzungen sind die Prozesskosten einer Ehescheidung oder die Verfahrensaufwendungen bei Erbstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastungen (agB) abzugsfähig? Mit zwei Urteilen hat der BFH seine jüngste restriktive Rechtsprechungslinie bei der Anerkennung von Zivilprozesskosten bestätigt. Die Rechtslage nach der Neuregelung des § 33 EStG bleibt allerdings zumindest unklar.
Der BFH verfolgt mit seinen zwei am 10.03.2016 ergangenen und nicht zur Veröffentlichung im BStBl vorgesehenen Urteilen weiter seine geänderte Rechtsprechung zum Ansatz von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen und lässt keine Zweifel mehr an der Rückkehr zu seiner langjährigen Rechtsprechung. Die mit seinem Urteil vom 12.05.2011 geänderte Rechtsauffassung, dass unausweichliche Zivilprozesskosten einer beabsichtigten Rechtsverfolgung bereits bei hinreichender Aussicht auf Erfolg als außergewöhnliche Belastung abziehbar wären, wurde nun wiederholt vom BFH verworfen.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen entscheidend, ob der geführte Rechtsstreit existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich des menschlichen Lebens berührt. Dies sieht der BFH dann als gegeben, wenn für den Steuerpflichtigen ohne den Prozess die Gefahr besteht, dass er seine Existenzgrundlage verliert oder lebensnotwendige Bedürfnisse nicht mehr befriedigen kann.
Prozesskosten für Erbstreitigkeiten
Mit dem Urteil VI R 70/14 hatte der BFH einen Fall zu entscheiden, ob die Zivilprozesskosten für die Feststellung bzw. Verteidigung der Höhe der Vermögensposition im Erbfall als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden können. Der BFH entschied, dass eine etwaige Schmälerung einer im Rahmen der Vermögensnachfolge erlangten Vermögensposition keinen existentiell wichtigen Bereich und somit auch nicht den Kernbereich des menschlichen Lebensbereichs berühre. Für die Prozesskosten zur Abwehr von Ansprüchen gelte nicht anderes. Damit gab der BFH der Revision des Finanzamts statt.
Nur direkte Scheidungskosten gelten als außergewöhnliche Belastung
Auch mit seinem Urteil VI R 38/12 führt der BFH seine geltende Rechtsauffassung fort. Grundsätzlich sind Prozesskosten für Ehescheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen – jedoch nur solche Kosten, die im sogenannten „Zwangsverbund“ zwangsläufig mit der Scheidung verbunden sind. Im konkreten Fall ging es jedoch auch um sogenannte Scheidungsfolgekosten – d.h. um Prozesskosten für die Auseinandersetzung über den gemeinsamen Hausrat oder für die Regelung des Unterhalts. Diese Kosten sah der BFH nicht als unvermeidbar an, da sie auch ohne Mitwirkung des Familiengerichts hätten geregelt werden können. Damit wurde für diese Kosten auch der Ansatz als außergewöhnliche Belastungen versagt.
Scheidungskosten nach 2013 als außergewöhnliche Belastungen
Die beiden Urteile des BFH sind noch zur Rechtslage vor dem Jahr 2013 ergangen. Ab dem Jahr 2013 sind durch eine Änderung im EStG Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen – es sei denn, der Steuerpflichtige liefe Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Das Finanzgericht Köln hat am 13.01.2016 für den Veranlagungszeitraum 2014 entschieden, dass es sich bei Scheidungskosten weder um Kosten für einen Rechtsstreit noch um Prozesskosten i.S.d. geänderten § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG handele, sondern um Kosten, die den Ehepaaren zwangsläufig entstünden. Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln hat der Gesetzgeber die Ehescheidungskosten nicht in den restriktiven Anwendungsbereich des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG einbeziehen wollen. In diesem Fall hat das FG Köln die Revision zugelassen und der BFH wird nun in dem anhängigen Verfahren VI R 9/16 entscheiden, ob die Ehescheidungskosten unter die Anwendungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG fallen oder nicht.
Praxishinweis
Die Bundesregierung hat in der BT-Drucks. 18/8458 vom 13.05.2016 zur Frage Stellung genommen, ob Scheidungskosten im Rahmen von § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG weiterhin als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig seien. Dies wurde unter Hinweis auf das geltende Recht verneint. Inwieweit diese Auffassung auch vom BFH getragen wird, bleibt abzuwarten. In den anhängigen Verfahren VI R 66/14, VI R 81/14 und VI R 19/15 wird dieser klären müssen, ob Prozesskosten für eine Ehescheidung auch nach der gesetzlichen Neuregelung als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind. Ein Steuerpflichtiger sollte daher die angefallenen Prozesskosten für ein Ehescheidungsverfahren in seiner Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend machen und bei Ablehnung gegen den Bescheid im Wege des Einspruchs Ruhen des Verfahrens gem. § 363 Abs. 2 AO beantragen.
BFH, Urt. v. 10.03.2016 - VI R 70/14, n.v.
BFH, Urt. v. 10.03.2016 - VI R 38/13, n.v.
FG Köln, Urt. v. 13.01.2016 - 14 K 1861/15
BT-Drucks. 18/8458 v. 13.05.2016
Quelle: Dipl.-Volkswirt Volker Küpper